
Verteidigungsministerin Lambrecht Kein leichter Stand
Pannen beim "Puma"-Panzer, Munitionsmangel, Baustellen beim F35-Kampfjet: Verteidigungsministerin Lambrecht kommt nicht aus der Defensive - auch, weil ihr der Rückhalt im eigenen Haus fehlt.
Eigentlich wollte Christine Lambrecht in der Weihnachtszeit noch das tun, was traditionell alle Amtsvorgänger vor ihr auch in der Weihnachtszeit getan haben: Die Soldatinnen und Soldaten bei ihren Auslandseinsätzen besuchen, Geschenke bringen, Danke sagen. Doch schon während ihrer Reise nach Mali Ende vergangener Woche erhält sie eine Nachricht aus der Heimat, die ihr klar macht, dass die Probleme der Bundeswehr vor Weihnachten nicht kleiner werden.
Probleme mit der Elektronik und der Mechanik, bei einem Kabelbrand soll sogar die Besatzung gefährdet gewesen sein: 18 von 18 eingesetzten Puma-Schützenpanzern sind bei einer Übung nacheinander ausgefallen. Kurz darauf wird all das öffentlich, der "Spiegel" berichtet.
Ein Desaster, sollte das Hightechfahrzeug doch eigentlich ab Januar für die schnelle Eingreiftruppe der NATO zur Verfügung stehen. Zur Sicherung der NATO-Ostflanke müssen nun veraltete Marder-Schützenpanzer noch einmal ran.
Krisengipfel im Kanzleramt
Ein paar Tage später, Lambrecht ist mittlerweile zu Besuch bei der Truppe in der Slowakei, folgt die nächste Hiobsbotschaft. Die "Bild"-Zeitung meldet, nur jede dritte deutsche Panzerhaubitze 2000 sei einsatzbereit. Es wird mehr als deutlich, wie desolat der Ausrüstungszustand bei der Bundeswehr ist.
Denn es sind nicht die einzigen Probleme in den vergangenen Wochen, die mediale Aufmerksamkeit bekommen haben. Auch bei der Beschaffung der F-35-Kampfflugzeuge in den USA gibt es noch große Baustellen. Zeitliche Verzögerungen, Mehrkosten - mit all dem müsse gerechnet werden, allein um den erforderlichen Umbau des Bundeswehr-Flugplatzes Büchel wie geplant bis 2026 abzuschließen. So steht es in einem "vertraulichen" Schreiben des Verteidigungsministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages.
Wegen eines weiteren Bundeswehr-Problems gab es sogar einen Krisengipfel im Kanzleramt: Der Truppe fehlt Munition im Wert von 20 Milliarden Euro. Die derzeitigen Bestände, so vermuten Experten, reichen im Ernstfall nur für zwei Tage.
Große Erwartungen geweckt
Viele dieser Missstände gehen weit zurück, sie können nur schwer Lambrecht selbst angehangen werden - nach einem Jahr im Amt. Doch es geht auch darum, endlich mehr positive als negative Meldungen zu produzieren. Ausgerechnet am Ende des Jahres, zu dessen Beginn der Bundeskanzler die Zeitenwende ausgerufen hatte, will das nicht gelingen. Trotz beschlossenem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, um die Bundeswehr zukunftsfähig zu machen. Manch Beobachter würde etwas zynisch gar "funktionsfähig" sagen.
Große Erwartungen sind geweckt, in der Truppe und der Bevölkerung, dass sich jetzt schnell etwas ändert. Doch die kann die Ministerin nicht erfüllen. Im Gegenteil: Es gibt weitere Enttäuschungen. Auch das Zwei-Prozent-Ziel der NATO, also das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, wird in diesem und wohl auch im nächsten Jahr wieder nicht eingehalten - anders als es Kanzler Scholz im Februar angekündigt hat.
"Wir haben in einem Begleitgesetz genau aus dem Grund miteinander vereinbart, dass die zwei Prozent in einem Korridor von fünf Jahren im Durchschnitt erreicht werden müssen", verteidigt sich Ministerin Lambrecht im Deutschlandfunk. Es sei klar gewesen, dass die Beschaffungen so schnell nicht laufen können.
So klar scheint das jedoch nicht allen gewesen zu sein. Gerade die Beschaffung ist schon lange eine Baustelle im Verteidigungsministerium. Zu langsam, zu schwerfällig, zu viele Sonderwünsche - auch wenn diese Probleme längst erkannt und benannt sind, ist noch nicht zu spüren, wie all das nun möglichst rasch behoben wird.
Gefundenes Fressen für die Opposition
Selbst Lambrechts SPD-Parteifreundin Eva Högl sah sich genötigt, als Wehrbeauftragte des Bundestages den Finger in diese Wunde zu legen. Im "Zeit"-Interview sprach sie gar von Gleichgültigkeit und Desinteresse bei den zuständigen Beamten. Dass bestellte Schutzwesten und Rucksäcke bis 2025 eintreffen sollen, sei für die Bundeswehr "schon richtig schnell". Es klingt nicht danach, als hätten im Ministerium schon alle die Zeitenwende verinnerlicht - etwas, das am Ende auch auf Lambrecht zurückfällt.
Außerdem scheint es im Umfeld der Verteidigungsministerin einige Mitwisser zu geben, die einen großen Gefallen daran haben, die Probleme auf Lambrechts Schreibtisch möglichst schnell öffentlich werden zu lassen. Auch ein Jahr nach ihrem Amtsantritt hat sie noch immer keinen leichten Stand. Sie erwarte, dass man mit solchen Informationen sehr verantwortungsbewusst umgeht, klagt Lambrecht auf die Indiskretionen angesprochen und droht: "Ich werde auch mit den entsprechenden Möglichkeiten, die ich zur Verfügung habe, all diesen Vorgängen nachgehen."
Für die Opposition sind die anhaltenden Hiobsbotschaften gefundenes Fressen. "Ich erwarte langsam wirklich von der Ministerin, dass sie mehr Engagement an den Tag legt", sagt CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn. Er unterstellt ihr sogar, ihre Aufgabe nicht mit vollem Einsatz auszuüben: "Es ist Schluss jetzt mit einem nine-to-five-job."
Harter Tobak aus der Union, die selbst über Jahrzehnte das Verteidigungsministerium geleitet hat. Jahre, in denen viele der Probleme ihre Ursprünge haben. Dass die Konservativen dennoch solche Frontalangriffe wagen, zeigt vor allem eins: Sie rechnen nicht damit, dass die Ministerin vom eigenen Haus ausreichend verteidigt wird.