Der Energie- und Zukunftsspeicher der Stadtwerke Heidelberg steht hinter einer mit grünem Gras bewachsenen Wiese.

Kommunale Wärmeplanung Heizen wie Heidelberg

Stand: 16.06.2023 10:05 Uhr

Die Bundesregierung will Vorgaben für Heizungen an die kommunale Wärmeplanung knüpfen. Damit kommt Kommunen und Stadtwerken eine Schlüsselrolle zu. Mannheim und Heidelberg sind Vorreiter.

Von Thomas Denzel, Daniela Diehl und Julia Henninger, SWR

Drei 15 Meter hohe Türme und ein ganzes Gebäude voller Technik - so sieht die gigantische Luft-Wärmepumpe aus, die Michael Teigeler in Heidelberg bauen ließ. Die Augen des Geschäftsführers der Stadtwerke glänzen, wenn er die Großanlage zeigt, seine Begeisterung ist spürbar. "Das Ding hat so viel Leistung wie 1500 der kleinen Wärmepumpen, die manche sich jetzt zu Hause installieren", rechnet er vor.

Die Anlage liefert Wärme ins gemeinsame Fernwärmenetz der Städte Heidelberg und Mannheim und ist Teil des lokalen Wärmekonzepts. Außerdem kommt die Energie aus einer Wärmepumpe, die Flusswasser nutzt, aus Holzabfällen, Biogas, der Abwärme einer Müllverbrennungsanlage - und momentan auch noch aus einem Kohlekraftwerk. "Wir können Wärme zentral erzeugen und zunehmend klimaschonend", erklärt Teigeler. "Warum soll sich dann die Oma zu Hause mit der Frage stressen, welche Heizung künftig in ihren Keller kommt?"

Fernwärme und Heizung - wie sinnvoll ist die Verknüpfung?

Öko-Vorschriften für die Heizungen zu Hause will die Bundesregierung nun erst dann machen, wenn die Kommunalverwaltung vor Ort einen Wärmeplan erstellt hat - einen Plan also, der unter anderem darlegt, wie viele Haushalte künftig an ein Wärmenetz angeschlossen werden und wie künftig mehr klimaschonende Energiequellen genutzt werden können. Eine Strategie, die man in Heidelberg für richtig hält. "Diese Reihenfolge ist sinnvoll", findet Teigeler. "Die Menschen sollten erstmal wissen, was kommt."

Aber auch für die Kommunen selbst hat das große wirtschaftliche Vorteile. Denn ansonsten droht ihnen der Verlust der Fernwärmekunden. "Die kommunale Wärmeplanung muss Vorrang haben", meint Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds. "Sonst tauschen die Menschen die Heizung aus und wenige Jahre später will man ein Fern- oder Nahwärmenetz schaffen und das wird dann scheitern."

Dieses Argument kann Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) zwar nachvollziehen. "Wir haben aber mit all dem viel zu spät begonnen, wir haben die Zeit jetzt nicht mehr", glaubt er. "In dieser sogenannten Verzahnung der beiden Themen sehe ich vor allem eine Verschiebung."

Werden die Vorreiter bestraft?

Bis 2028 will die Bundesregierung den Kommunen Zeit geben für das Erstellen der Wärmepläne. Heute schon in Arbeit sind sie vor allem in dicht besiedelten Metropolen wie Köln oder München. Und eben in Mannheim und Heidelberg. Michael Teigelers Stadtwerke sind schon fast fertig damit. "Vielerorts wird das nun aber tatsächlich noch Jahre dauern", erklärt er. "Denn dort, wo es den Anstoß des Bundes braucht, muss das in den Bundesländern erst in Gesetze gegossen werden und die eigentliche Planung hat bei uns ja auch zwei Jahre gedauert."

Dass die Stadtwerke Heidelberg so früh dran sind, liegt auch daran, dass in Baden-Württemberg die Landesregierung schon vor Jahren einen Stichtag festgelegt hat: Hier müssen die Wärmepläne der Kommunen schon zum 31.12.2023 vorliegen. Auch einige andere Bundesländer haben bereits Fristen gesetzt. In Hessen zum Beispiel ist es der November 2023, in Schleswig-Holstein Ende 2024, in Niedersachsen Ende 2026. Wo es noch keine Frist gibt, sollen die Pläne spätestens 2028 vorliegen.

Beim ifeu befürchtet man, dass diese Frist in vielen Fällen auch bis aufs Äußerste ausgenutzt werden wird. "Die Bürgerinnen und Bürger, die nicht ans Wärmenetz angeschlossen werden können und die Öko-Vorgaben für ihre Hausheizung verhindern wollen, werden ihren Bürgermeistern Druck machen, das Erstellen der Wärmepläne hinauszuzögern", prognostiziert Pehnt. Das Parlament müsse nun für dieses Dilemma eine gute Lösung finden. "Es darf aus meiner Sicht nicht sein, dass die Vorreiter-Kommunen bestraft werden."

Gewaltige Investitionen

Genau das könnte auch in Heidelberg passieren. Dort allerdings sind bereits die Hälfte aller Haushalte ans Wärmenetz angeschlossen. Auch viele andere Städte und Gemeinden in Deutschland bieten Fernwärme an. Doch nur jeder siebte Haushalt hat einen Anschluss. Und mehr als ein Drittel aller Haushalte seien auch langfristig nicht erreichbar, schätzt Pehnt. "Das liegt schlicht daran, dass sich das im ländlichen Raum wirtschaftlich nicht lohnt, sondern nur in Ballungsräumen, wo es Abnehmer in großer Zahl gibt."

Der Ausbau bedeutet gewaltige Investitionen. Allein in Heidelberg rechnet man für die kommenden Jahre mit Kosten von 825 Millionen Euro. Das Ziel: 75 Prozent aller Haushalte ans Netz anzuschließen. Der Bund fördert solche Projekte. Doch der Fördertopf sei nicht groß genug, meint Teigeler. "Damit schafft man gerade einmal zehn Projekte wie unseres in Heidelberg. Und das wird nicht reichen."

Die Frage ist, wie viel der finanziellen Last am Ende die Kunden tragen müssen. Ramona Pop von der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert eine bundeseinheitliche systematische Preisaufsicht für den Fernwärmemarkt, "wo die Anbieter praktisch unregulierte Monopole haben".

Klima-Vorgaben auch für die Fernwärme

Damit die Fernwärme-Strategie auch eine klimapolitische Wirkung entfaltet, will die Bundesregierung Vorgaben für den Anteil klimaneutraler Wärmeenergie machen. Schon 2030 soll er bei mindestens 50 Prozent liegen und dann weiter steigen. Die Stadtwerke Heidelberg halten die Zielvorgabe aus Berlin für machbar.

Andere sind weniger optimistisch. In der Fläche sei diese Quote nicht realisierbar, sagt etwa der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy. Bundesweit wird Fernwärme momentan noch zu 65 Prozent aus Gas und Kohle erzeugt. Groß-Wärmepumpen wie die in Heidelberg spielen bisher kaum eine Rolle. Michael Teigeler sagt ihnen aber eine große Zukunft voraus. Sein Credo: "Besser einige große als viele kleine".