Christian Lindner

Geschichte des Haushalts 2024 Am Anfang war ein Brief

Stand: 05.07.2023 12:22 Uhr

Das Kabinett hat den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr verabschiedet. Vorausgegangen waren Spannungen innerhalb der Ampel-Regierung - inklusive öffentlicher Briefwechsel. Ein Rückblick.

Von Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin

Natürlich kann man es auch positiv formulieren: "Angesichts der Tatsache, dass so viele E-Mails geschickt werden, ist es doch schön, wenn auch mal Briefe geschrieben werden." Die Briefe, auf die sich der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner im Februar bezog, hatten es allerdings in sich.

Just am Valentinstag hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck im Namen der von den Grünen geführten Ministerien ein Schreiben an den "sehr geehrten Herrn Kollegen" Lindner verfasst und dabei die Eckwerte für den Haushalt infrage gestellt. Der Finanzminister möge doch mal über höhere Einnahmen nachdenken, anstatt auf der Ausgabenbremse zu stehen.

Es dürfe auch keine Vorfestlegungen geben, zum Beispiel für die Bundeswehr oder die Aktienrente - wie dann auch Grünen-Faktionsvize Andreas Audretsch betonte. "Nicht gut wäre es, wenn man bestimmte Dinge vor die Klammer zieht, und anderes von der Prioritätenliste fliegt. Das funktioniert natürlich nicht", sagte er.

Süffisanter Lindner, gelassener Scholz

Da deutete sich schon der Streit an, der sich bis in diese Tage zieht - der Streit um die Kindergrundsicherung und die Frage, wie viel dafür übrig ist. Der von Habeck angesprochene Finanzminister reagierte auf das ungewöhnliche Schreiben süffisant: Er sei ja schon mal erleichtert, schrieb Christian Lindner - natürlich ebenfalls an den "sehr geehrten Herrn Kollegen", dass die von den Grünen geführten Ministerien das Grundgesetz nicht infrage stellten.

Damit bezog er sich auf die Schuldenbremse, von der es nach Einschätzung von Lindner nach dem Ende von Corona nicht erneut eine Ausnahme geben soll. "Die Eckwerte des Haushalts sind klar, wir können auf Dauer nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen", so der Finanzminister.

Der öffentliche Briefwechsel von Habeck und Lindner war kennzeichnend für die Diskussionen, die folgen sollten. So musste Lindner die offiziellen Haushaltseckwerte, die den Rahmen für die Ausgaben bilden, wegen der Meinungsunterschiede verschieben. Kanzler Olaf Scholz sah es gelassen: In den letzten Jahren sei öfter mal die Bekanntgabe der Eckwerte verschoben worden. "Auch in der Zeit, als ich Finanzminister war. Das hat nie große Aufregung ausgelöst, jetzt auch nicht - jedenfalls bei mir nicht."

Finanzministerium setzt sich durch

Dann musste Lindner sogar ganz auf die Eckwerte verzichten und in den nachfolgenden Haushaltsgesprächen mit den einzelnen Ministerien den Kanzler um Beistand bitten. Schließlich hatten die Ministerien alle zusammen rund 70 Milliarden Euro zusätzlich gefordert - während Lindner mit einem Haushaltsloch von fast 20 Milliarden Euro zu kämpfen hatte. Am Ende setzte sich der Finanzminister durch. Selbst der Verteidigungsminister erhält deutlich weniger als erhofft.

Und für die Kindergrundsicherung hat Lindner für das Folgejahr erst mal nur zwei Milliarden eingestellt. "Was wir tun müssen, ist Kinderzukunftssicherung - dadurch, dass wir den Staat nicht dauerhaft in seinen Finanzierungsmöglichkeiten überfordern", sagte er.

Die Grünen pochen aber darauf, dass bei der Kindergrundsicherung noch etwas draufgelegt wird. Lindners Entwurf ging nun zwar durch das Kabinett, abgeschlossen ist das Ganze aber noch nicht. Denn das letzte Wort in Sachen Haushalt spricht der Bundestag. Und auch dort kann es - siehe Heizungsgesetz - zu regen Debatten innerhalb der Ampelkoalition kommen.

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 04.07.2023 19:30 Uhr