
Neue Energie-Infrastruktur Erstes LNG-Terminal geht in Betrieb
Festakt in Wilhelmshaven: Das erste deutsche schwimmende LNG-Importterminal wird am Vormittag in Betrieb genommen. Während Umweltschützer Klagen angekündigt haben, verteidigte Wirtschaftsminister Habeck seine Energiepolitik in den tagesthemen.
In Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz wird am Vormittag das erste deutsche Importterminal für Flüssigerdgas (LNG) in Wilhelmshaven eröffnet. An dem Festakt nehmen auch Wirtschaftsminister Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil teil.
Das schwimmende Terminal vor der niedersächsischen Nordseeküste soll dazu beitragen, die durch ausbleibende Lieferungen aus Russland entstandene Lücke bei der Gasversorgung Deutschlands zu schließen. Vier weitere Terminals sollen bis Ende nächsten Jahres in Brunsbüttel, Stade und Lubmin entstehen. Sie können nach Angaben des Wirtschaftsministeriums zusammen ein Drittel der für die Versorgung Deutschlands benötigten Erdgasmenge aufnehmen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte vor übertriebener Euphorie: Die Gefahr einer Gasmangellage sei auch mit dem neuen Terminal noch nicht gebannt.
Scholz hofft auf weitere Lieferverträge
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte der "Süddeutschen Zeitung", dass er den Bau weiterer LNG-Terminals im nächsten Jahr vorantreiben werde und auf weitere Lieferverträge hoffe. "Die Bundesregierung ist mit den Gasimporteuren kontinuierlich im Gespräch und wirbt auch dafür, längerfristige Verträge abzuschließen", sagte er.
Gas aus Norwegen, den USA, aus der Golfregion und den Niederlanden werde die Versorgung Deutschlands nach Ansicht des Kanzlers auch im Winter 2023/24 sichern. "Davon können wir, so wie in diesem Jahr, ausgehen, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert", sagt Scholz. Für den Winter 2022/23 hatte er bereits mehrfach versichert, dass es wohl keine Knappheit geben werde.
Habeck: Notabwehr hat absolute Priorität
Wirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte im Interview mit den tagesthemen seine Energiepolitik. "Die Not abzuwehren hat absolute politische Priorität", sagte er in Bezug auf einen möglichen Gasmangel. Die Regierung habe "klug entschieden, entschlossen reagiert und etwas hinbekommen, was man Mitte des Jahres zu Recht noch für unmöglich gehalten hatte."
Nach dem Wegfall der Nord-Stream-1-Pipeline fehle Deutschland rund die Hälfte des benötigten Gases, erklärte der Minister weiter. Ohne die neue Infrastruktur drohe Deutschland eine Gasmangellage. "Und die wird unmittelbar dazu führen, dass die deutsche Wirtschaft und die Unterstützung der Gesellschaft für die Ukraine zusammenbrechen würde."
Den Vorwurf von Klimaschützern, Deutschland schaffe Überkapazitäten beim Gas und verbaue sich den Weg zu den Klimazielen, wies der Wirtschaftsminister deshalb zurück. "Von einer Überkapazität kann gar keine Rede sein", widersprach Habeck im tagesthemen-Interview und verwies darauf, dass die Terminals lediglich ein Drittel des deutschen Verbrauchs sicherstellten.
Im Vergleich zur Nord-Stream-1-Pipeline seien die schwimmenden LNG-Anlagen außerdem flexibler nutzbar. Die Schiffe könnten weiter verchartert werden, wenn sie nicht mehr gebraucht würden. "Und wir bauen alle Infrastruktur Wasserstoff-ready, das heißt: Die Terminals, die wir errichten, können - sobald genügend Wasserstoff da ist - umgeswitcht werden auf einen anderen klimaneutralen Energieträger."
Umwelthilfe kündigt rechtliche Schritte an
Die Deutsche Umwelthilfe kündigte weitere rechtliche Schritte an, um eine Befristung des Betriebs zu erreichen. Eine erste Klage läuft bereits. "Klimakrise und Energiekrise dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Er befürchtet, dass die angestrebte Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase durch übermäßigen Flüssigerdgas-Import gefährdet wird.
Nicht zuletzt sei die Einleitung großer Mengen Biozid erlaubt worden, das gehöre aber verboten. All das werde die DUH "notfalls auch mit rechtlichen Mitteln durchsetzen", erklärte die Organisation. Habeck zeigte sich überzeugt, dass die Genehmigung für die Terminals Klagen standhalten würde.
Weil: Umstellung dauert noch Jahre
Die vollständige Umstellung der LNG-Terminals für den Import von Flüssigerdgas auf klimaneutrales Gas wird nach Worten von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil noch Jahre dauern. Der Vorteil von klimaneutralem Wasserstoff, der künftig ebenfalls über die LNG-Terminals importiert werden soll, sei dabei, dass man "einen Übergang organisieren" könne. "Über eine Beimischung zum Erdgas kann nach und nach klimaneutraler Wasserstoff hinzugefügt werden", sagte Weil.
Ab Donnerstag fließt Gas
Das für das Terminal benötigte Spezialschiff "Höegh Esperanza" war am Donnerstag in Wilhelmshaven angekommen. Die sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU) nimmt verflüssigtes Gas (LNG) von Tankern auf und wandelt es noch an Bord in Gas um. Dann kann es ins Netz eingespeist werden. Die Bundesregierung hat die "Höegh Esperanza" gechartert.
Der Uniper-Konzern betreibt das LNG-Terminal im Auftrag des Staates gemeinsam mit Partnerunternehmen. Nach Angaben des Konzerns soll ab Donnerstag Gas ins deutsche Pipelinenetz eingespeist werden.