
Parteitag in Bonn Grüne segnen AKW-Reservebetrieb ab
Die Grünen tragen einen vorübergehenden Reservebetrieb der beiden süddeutschen Atommeiler mit. Dies beschloss am späten Abend der Parteitag in Bonn. Die Beschaffung neuer Brennstäbe lehnen die Grünen aber weiter ab.
Inmitten des Koalitionsstreits um die Atomkraft haben die Grünen ihrem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den Rücken gestärkt. Die beiden süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 sollten bis zum 15. April in einer Reserve gehalten und bei Bedarf weiter für die Stromerzeugung genutzt werden, beschlossen die Delegierten am späten Abend in Bonn mit einer klaren Mehrheit. Das dritte noch verbleibende AKW Emsland hingegen soll zum 1. Januar 2023 endgültig abgeschaltet werden.
Die Beschaffung neuer Brennelemente lehnten die Delegierten ab. "Bündnis 90/Die Grünen werden im Bundestag keiner gesetzlichen Regelung zustimmen, mit der neue Brennelemente, noch dafür notwendiges neues angereichertes Uran beschafft werden sollen", heißt es im beschlossenen Antrag.
Einkauf neuer Brennstäbe "rote Linie"
Die mehreren Hundert Delegierten bekräftigten damit jene Linie, die führende Grüne wie die beiden Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour in den vergangenen Tagen in der Auseinandersetzung mit der FDP vertreten hatten. Lang hatte den Einkauf neuer Brennstäbe noch kurz vor dem Parteitag im Gespräch mit dem "Spiegel" als "rote Linie" bezeichnet.
Ein gegnerischer Antrag, der ein Aus für alle deutschen Atomkraftwerke gefordert hatte, scheiterte.
Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang verteidigte in den tagesthemen den Kurs der Grünen, die zwei Atomkraftwerke bis ins Frühjahr weiter laufen zu lassen. Dies sei kein Gesichtsverlust der Partei. Es sei eine Frage, was gebraucht werde. Dass weiter Kohlekraftwerke in Betrieb seien, schmerze sie als Klimaschützerin.
Koalitionsstreit um Atomkraftwerke
Um den Umgang mit den deutschen Atomkraftwerken ist in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ein heftiger Streit entbrannt. Während die FDP auf einen längeren Weiterbetrieb dringt, lehnen dies insbesondere die Grünen ab. Habeck hatte eine AKW-Reserve vorgeschlagen, zuletzt aber bereits deutlich gemacht, dass er davon ausgeht, dass ein Weiterbetrieb der beiden süddeutschen Atomkraftwerke nötig werden dürfte.
Die Parteispitze hatte kurz vor dem Beginn des Parteitages betont, das für die Nacht erwartete Ergebnis der geplanten Abstimmung zu diesem Thema sei für die anstehenden Gespräche mit SPD und FDP bindend. "Warum sollen wir sie sonst beschließen?", antwortete Parteichef Omid Nouripour auf eine entsprechende Frage von Journalisten.
Sorge vor dem Ausstieg vom Ausstieg
Einige Delegierte äußerten Sicherheitsbedenken sowie die Befürchtung, es könne durch die sogenannte Einsatzreserve schleichend zu einem Ausstieg aus dem Atomausstieg kommen. "Wer garantiert uns dieses Datum?", fragte der Delegierte Karl-Wilhelm Koch aus der Vulkaneifel rhetorisch mit Blick auf das von Habeck vorgesehene endgültige Betriebs-Aus der AKW Mitte April. Schon der Atomausstieg zum 31. Dezember des laufenden Jahres sei doch eigentlich garantiert gewesen.
Auch Umweltministerin Steffi Lemke, die wie ihr Kabinettskollege Habeck für die Möglichkeit zum befristeten Weiterbetrieb zweier Atomkraftwerke warb, sagte, sie sei bei ihrem Amtsantritt "felsenfest davon ausgegangen", dass das letzte deutsche AKW zum Jahresende ausgeschaltet werde. "Jetzt stehe ich hier vor einem Grünen-Bundesparteitag und werbe um eure Zustimmung für diese Zumutung", beklagte Lemke.
Angesichts einer möglichen Krise im Winter halte sie die Einsatzreserve aber für vertretbar. "Wir sind in dieser Bundesregierung der Garant dafür, dass wir aus der Atomkraft aussteigen." Habeck sagte, Atomkraftwerke könnten im kommenden Winter einen wenn auch begrenzten Beitrag zur Sicherung der deutschen Stromversorgung leisten. "Als Minister, der am Ende für die Versorgungssicherheit zuständig ist", bat er um Zustimmung.
Realpolitik und Verantwortungsbewusstsein
Mit einem Bekenntnis zu realpolitischen Zwängen und Verantwortungsbewusstsein hatten die Grünen zuvor ihren Bundesparteitag begonnen. Mit den Worten "Ob wir es wollen oder nicht - am Ende werden wir die Welt gerettet haben müssen", gab die Bundesgeschäftsführerin Emily Büning in ihrer Begrüßungsrede den Kurs für die nächsten Tage vor. Der Parteitag steht unter dem Motto "Wenn unsere Welt in Frage steht: Antworten".
Die Grünen-Vorsitzende Lang betonte den Willen ihrer Partei zur politischen Verantwortung. "Das haben wir uns anders vorgestellt", sagte Lang zum Auftakt einer Debatte zur Sozialpolitik. Sie betonte aber: "Wir machen Politik für die Realität, die da ist, und nicht nur für die, die wir uns gewünscht haben."
Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang verteidigte in den tagesthemen den Kurs der Grünen, zwei Atomkraftwerke in der Energiekrise bis Frühjahr weiter laufen zu lassen. Dies sei kein Gesichtsverlust der Partei. Es sei eine Frage, was gebraucht werde. Dass weiter Kohlekraftwerke in Betrieb seien, schmerze sie als Klimaschützerin.