Fähnchen der FDP stehen in einem Glas.
analyse

Dreikönigstreffen der FDP Eine Partei im Ampel-Dilemma

Stand: 06.01.2024 12:43 Uhr

Seit mehr als 150 Jahren treffen sich Liberale am Dreikönigstag, um ihre Positionen abzustecken. Für die FDP heißt das in diesem Jahr, ihre Rolle in der Ampel zu klären.

Eine Analyse von Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin

Der Karikaturist Klaus Stuttmann hat im Berliner Tagesspiegel das Ergebnis der gerade abgeschlossenen Mitgliederbefragung so skizziert:

Sagt ein FDP-ler zum anderen: "Klare Entscheidung. Wir bleiben in der Regierung." Worauf der andere fragt: "Ist das nun die Pest? Oder die Cholera?

Seit Langem ist klar: Die Anhänger der FDP fremdeln mit der Ampel. Dabei war die Partei 2021 noch mit großer Begeisterung in die Koalition mit SPD und Grünen eingetreten. Unvergessen das fröhliche grün-gelbe Selfie. Und der Begriff der "Fortschrittskoalition" schien so ganz zum Image der FDP passen, die den Wählern insbesondere Modernisierung und Digitalisierung versprach.

Doch schnell kehrte Ernüchterung ein. Seit ihrem Eintritt in die Ampelkoalition im Bund hat die FDP eine Wahlschlappe nach der anderen kassiert. In Berlin, Niedersachsen, dem Saarland und zuletzt in Bayern scheiterte sie an der Fünf-Prozent-Klausel. Und in Bremen und Hessen entging die FDP nur haarscharf dem parlamentarischen Aus.

"Keine Spur von wirklicher Selbstkritik" Tim Diekmann, SWR, zur Rede des Finanzministers auf dem Dreikönigstreffen

tagesschau24, 06.01.2024 14:00 Uhr

Die Initiative scheiterte nur knapp

Die Unzufriedenheit in den eigenen Reihen drückte sich nun in einer Mitgliederbefragung aus. Die Initiatoren wie der Kasseler Liberale Matthias Nölke wollten erreichen, dass die FDP die ungeliebte Ampel verlässt. Die Initiative scheiterte zwar, aber nur knapp - mit rund 52 zu 48 Prozent. Nölke sieht sich dennoch bestätigt: Man könne festhalten, dass der bisherige Kurs der FDP offensichtlich nicht bei allen ankommt.

Das weiß natürlich auch FDP-Chef Christian Lindner, der das Votum der Parteimitglieder als "Ausdruck von Verantwortung für Deutschland" wertete. Besonders euphorisch hatte sich Lindner nicht für die Ampel ins Zeug gelegt.

Im Bericht aus Berlin der ARD auf seinen berühmt gewordenen Satz aus dem Jahr 2017 angesprochen, es sei besser nicht zu regieren als schlecht zu regieren, sagte Lindner: Seinerzeit habe die FDP gesagt, sie trete nicht in eine Regierung ein, "weil wir viele unserer politischen Inhalte nicht umsetzen können - wir würden unsere Wählerinnen und Wähler verraten". Jetzt, nach dem Eintritt in die Regierung, sei man in einer anderen Situation. Da könne man nicht einfach gehen.

Für Verhindern allein werden Parteien nicht gewählt

Immerhin: Das knappe Ergebnis hilft Lindner gleich doppelt: ein mehrheitliches Votum für den Ausstieg aus der Ampel hätte, obwohl das Ergebnis der Mitgliederbefragung nicht bindend ist, für unangenehme Diskussionen in der Partei gesorgt. Ein zu starkes Ergebnis für den Verbleib in der Ampel wiederum hätte Lindner in der Koalition geschwächt - warum pointiert auftreten, wenn die Mitglieder mit der Ampel zufrieden sind.

Doch viele FDP-Anhänger haben den Eindruck, die Partei bewege in der Ampel zu wenig. Das dürfte daran liegen, dass die FDP vor allem für die Punkte steht, die sie verhindert: Ihr Nein zum Aufweichen der Schuldenbremse und ihr Nein zu Steuererhöhungen.

Damit ist sie grundsätzlich erfolgreich - siehe die jüngste Debatte zum Haushalt 2024, für den sich Grüne und SPD ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse gewünscht haben. Doch für Verhindern allein werden Parteien nicht gewählt. Parteiinterne Kritiker wie der Alt-Liberale Gerhart Baum beklagen denn auch das Image der Partei als Nein-Sager.

Gleich mehrfach im Dilemma

Bei Themen wie der Digitalisierung und dem Bürokratieabbau, die positiv auf die FDP einzahlen könnten, geht es kaum voran. Dass die Wirtschaft schwächelt und schlechter läuft als in anderen großen Industriestaaten, spricht auch nicht gerade für eine Regierung, an der die FDP beteiligt ist.

Selbst beim Thema Steuern ist die Erfolgsbilanz von Lindner als Finanzminister durchwachsen: Erleichterungen bei der Lohn- und Einkommensteuer stehen höhere Belastungen bei anderen Abgaben sowie den Sozialversicherungen gegenüber. Und das Karlsruher Urteil zur Schuldenbremse bleibt letztlich auch an ihm hängen, auch wenn die Idee zur Umwidmung der Corona-Schulden für Klima-Investitionen von Bundeskanzler Olaf Scholz stammt, seinem Vorgänger im Amt.

Dabei ist die FDP in ihrem Umgang mit der Situation in der Ampel-Regierung gleich mehrfach im Dilemma. Wegen ihres Neins zu einer möglichen Jamaika-Koalition 2017 ist sie heute stärker an die Ampel gebunden, als ihr lieb sein kann. Denn damals hatten viele Unterstützer der FDP, gerade aus der Wirtschaft, die Partei für diesen Schritt kritisiert. Ein Verlassen der Ampel könnte nun als erneute Flucht vor der Verantwortung gesehen werden, so die Sorge innerhalb der FDP.

Die öffentlichen Konflikte gehen wohl weiter

Ein neues Konzept für die verbleibenden Regierungsjahre deutet sich gleichzeitig auch nicht an. Man müsse in der Ampel "weiter liberales Profil zeigen", sagte Lindner nach dem Ergebnis der Mitgliederbefragung. Noch pointierter äußerte sich, wie so oft, Parteivize Wolfgang Kubicki: Die FDP müsse in der Regierung "besser und durchsetzungsstärker" werden.

Womit sich andeutet, dass die häufig öffentlich ausgetragenen Konflikte mit den Koalitionspartnern SPD und Grüne weitergehen. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai spricht davon, dass es auch künftig "hier und dort kommunikationsintensive Momente" geben dürfte.

Dass öffentlich ausgetragener Streit dem Image der Ampel schadet, weiß zwar auch die FDP. Aber ohne klare Kante fürchtet man in der Parteispitze, noch tiefer nach unten gerissen zu werden. Auch das ist ein Dilemma für die Liberalen.

Wahlen als Gradmesser

Die teilweise Wiederholung der Bundestwagswahl in Berlin im Februar und die Europawahlen im Juni werden Gradmesser dafür sein, ob sich die FDP stabilisieren kann. Besonders schwierig dürften dann die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen werden - zuletzt sorgte eine Umfrage für Aufsehen, die die FDP in Sachsen nur noch bei einem Prozent sah.

Für Europa setzt die Partei auf die Bekanntheit ihrer designierten Spitzenkandidatin, der Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie wird auch Hauptrednerin beim Dreikönigstreffen sein, neben Parteichef Lindner.

Ansonsten prägen Redner aus Baden-Württemberg das Programm: Landeschef Michael Theurer, der als Parlamentarischer Staatssekretär in Berlin für die Ampel steht, während der Stuttgarter Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke in Opposition zu einer von den Grünen geführten Landesregierung steht - und genau damit bei den in Baden-Württemberg anstehenden Kommunalwahlen punkten will: "Unsere Wähler im Land sehen uns als Gegenpart zum Grünen Politikentwurf." Ein Spagat, weiß Rülke. Denn im Bund werde die FDP eben als Teil der gemeinsamen Koalition mit den Grünen gesehen.

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 06.01.2024 06:18 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 06. Januar 2024 um 09:00 Uhr.