Friedrich Merz und Christian Lindner gehen gemeinsam eine Treppe im Bundestag herunter.
Analyse

Union und FDP Ziemlich angespanntes Verhältnis

Stand: 14.02.2023 11:11 Uhr

Inhaltlich sind sich Union und FDP nach wie vor nahe, doch es knirscht zwischen den Parteien. Dabei spielen harte Worte der Liberalen, aber auch fehlende Machtoptionen eine Rolle.

Eine Analyse von Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin

Im Wahlkampf in Berlin haben sich Union und FDP nichts geschenkt - beide buhlten um die Stimmen unzufriedener Wechselwähler. Das ist symptomatisch für das aktuell schwierige Verhältnis der beiden Parteien.

Ein kurzer Rückblick: Vor der Bundestagswahl 2021 setzte FDP-Chef Christian Lindner klar auf ein Bündnis mit CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet. Mit der Union habe die FDP "die größten inhaltlichen Überschneidungen" - mit dieser Feststellung ging Lindner auch aus den ersten Sondierungsgesprächen nach der Wahl. Ein mögliches Jamaika-Bündnis sei aber an der mangelnden Geschlossenheit der Union gescheitert, begründete Lindner den Weg seiner Partei in die Ampel schließlich.

Knapp anderthalb Jahre später zeigt sich zweierlei: Inhaltlich sind Union und FDP weiter oft nahe beieinander, gleichzeitig hat das Verhältnis der Parteien aber einen Riss bekommen. Dabei spielt die Beteiligung der FDP an der Ampelkoalition eine entscheidende Rolle, aber auch die Suche der Union nach künftigen Machtoptionen wirkt sich auf das Verhältnis beider Parteien aus.

Sebastian Schöbel, ARD Berlin, zur Regierungsbildung nach der Wahl in Berlin

tagesschau24 09:00 Uhr

Gegenseitig applaudieren

Die inhaltlichen Übereinstimmungen zeigen sich bei vielen Debatten im Bundestag. Wenn es um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke geht, um Standortpolitik oder um den Wohnungsbau, applaudieren sich Unions- und FDP-Abgeordnete schon mal gegenseitig.

Von der großen Harmonie nach Bildung der Ampelkoalition sei nicht mehr viel zu spüren, sagt Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger. Gerade in der Wirtschafts- und Energiepolitik, der Umwelt- und der Landwirtschaftspolitik zeige sich, dass sich Union und FDP näherstünden als die Ampelparteien untereinander.

Zugleich aber wurde deutlich: Auch das Verhältnis von Union und FDP ist keineswegs nur von Nettigkeiten geprägt. Lindner sagte im Januar über den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz: "Wer pauschal über Sozialtourismus und kleine Paschas spricht, der kann keinen Führungsanspruch für das moderne Deutschland begründen." Ein harter Schlag gegen einen Politiker, mit dem sich Lindner persönlich eigentlich gut versteht und der auch Gast bei Lindners Hochzeit auf Sylt war.

Empörung in der Union

Für den jüngsten Tiefpunkt in den Beziehungen beider Parteien sorgte dann die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit ihrem Karnevalsauftritt in Aachen. Merz bezeichnete sie in ihrer Büttenrede als "Flugzwerg". "Den wollte zweimal keiner haben, weil er nur schwerlich zu ertragen", reimte Strack-Zimmermann. "Beherzt er auf die Schwachen drischt, weil er so gern im Trüben fischt."

Der Auftritt der FDP-Politikerin sorgte für Empörung in den Reihen der Union. CDU-Generalsekretär Mario Czaja forderte sogar eine Entschuldigung, was Strack-Zimmermann unter Verweis auf den Karneval entschieden ablehnte. Inzwischen wird diskutiert, ob die Art des Auftritts womöglich bürgerliche Wähler abgeschreckt und in Berlin mit zum Wahldebakel der FDP geführt hat.

Mehr noch: Aus Sicht von Unionspolitikern muss die FDP innerhalb der Ampel einen Spagat vollbringen, der der Glaubwürdigkeit der Partei schadet. Die Regierungsbeteiligung sei auch mit einem "Abgrenzungskurs" der FDP von der Union verbunden, beklagt die CSU-Innenpolitikerin und Fraktionsvize Andrea Lindholz. Deshalb sei das Verhältnis beider Parteien derzeit so angespannt - anders als früher.

Auch Fraktions- und CDU-Chef Merz geht auf Distanz. "Die FDP war einmal ein verlässlicher Partner für uns, aber in der gegenwärtigen Situation sehe ich das nicht", sagt er. "Ich bedauere das, ich hätte es mir anders gewünscht." Die FDP müsse nun erst mal selber dafür sorgen, dass sie wieder politische Bedeutung gewinnt, "die sie zunehmend leider verliert", so Merz am Tag nach der Berlin-Wahl.

Für Schwarz-Gelb reicht es nicht mehr

Ist also die FDP verantwortlich für die gegenwärtige Missstimmung zwischen den beiden Parteien? Oder ist es ganz anders? Zieht die Union sich von der FDP zurück, weil Schwarz-Gelb nach aktuellem Stand rechnerisch keine Machtoption bietet?

Liberale wie der Abgeordnete Frank Schäffler sehen mit Argwohn, dass die CDU die Fühler vor allem in Richtung der Grünen ausstreckt: "Wir stellen schon fest, dass die Union in vielen Fragen ganz aktiv auf die Grünen zugeht und mit ihnen koaliert - und wir eben nicht mehr der natürliche Koalitionspartner sind."

Das hat sich vor allem in Schleswig-Holstein gezeigt. Nach der Landtagswahl im vergangenen Jahr wäre rechnerisch auch ein Regierungsbündnis mit der FDP möglich gewesen. Doch CDU-Ministerpräsident Daniel Günther zog - gegen die Empfehlung von Parteichef Merz - eine Koalition mit den Grünen vor. Aus machttaktischen Gründen, wie Kritiker aus den Reihen der FDP sagen. "Auch wenn es so von vielen erwartet worden ist - Schleswig-Holstein hat wehgetan", sagt auch der FDP-Haushaltsfachmann Otto Fricke.

In der "Kartoffelküche" sucht man Kontakt

Trotz aller Reibereien setzen aber gerade Wirtschaftspolitiker aus beiden Parteien weiter auf Austausch. In einem Kreis mit dem Namen "Kartoffelküche", den Fricke mit dem ehemaligen CDU-Politiker Steffen Kampeter vor fast zehn Jahren gründete, kommen Politiker von Union und FDP zu informellen Gesprächen zusammen. Auch dann, wenn es in der Öffentlichkeit kracht - wie gerade jetzt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten am 14. Februar 2023 die tagesschau um 09:00 Uhr und BR24 um 11:50 Uhr.