Friedrich Merz.

CDU-Chef Merz Der Krisenmanager

Stand: 21.01.2023 20:03 Uhr

Seit einem Jahr führt Merz die CDU. Wohin ist noch nicht klar - und einige in der Partei fremdeln mit der Wortwahl des Chefs. Die CDU weiß, dass sie bis zur nächsten Bundestagswahl noch viel zu tun hat. Auch die K-Frage droht.

Von Gabor Halasz, ARD Berlin

Ein Friedrich Merz weint nicht. Wenn doch, dann muss es ein ganz besonderer Moment sein. So wie am 22. Januar 2022. Als er im dritten Anlauf zum CDU-Chef gewählt wurde und sich mit Tränen in den Augen bedanken wollte, brach seine Stimme plötzlich weg.

Ein Jahr ist seitdem vergangen und Friedrich Merz ist das alte Raubein. Er schlägt aber auch neue Töne an. Er sucht seine Rolle, die gesamte CDU muss sich neu finden. Die Partei schreibt gerade ein Grundsatzprogramm und sucht Antworten auf die Frage, wie die Partei zu den großen Themen der Zeit steht.

Konstruktiv und konservativ?

Merz will konstruktive Opposition sein, aber auch klare konservative Kante zeigen. Die CDU sei keine Programmpartei mit starken ideologischen Festlegungen, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. "Gerade die öffentlichen Äußerungen von Friedrich Merz zu Fragen Migration, Staatsbürgerschaft sowie seine Kommentierung der Berliner Silvesterkrawalle unterscheiden sich deutlich von den entsprechenden Positionierungen seiner drei Amtsvorgänger Laschet, Kramp-Karrenbauer und Merkel." Das seien Indizien, dass er die CDU etwas weiter rechts der Mitte positionieren wolle als bislang.

Ende September sorgte ein Interview bei "Bild"-TV für Aufregung. Merz sprach über ukrainische Flüchtlinge und sagte: "Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine." Später bedauerte er die Wortwahl und sprach von "einer unzutreffenden Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems".

Eine Gratwanderung

Doch dass sich ein politischer Vollprofi wie Merz aus Versehen im Ton vergreift, glauben ihm viele nicht. In Ostdeutschland bröckelt die Brandmauer nach Rechtsaußen. Die Ankündigung von Merz, er wolle die AfD-Wahlergebnisse halbieren, ist hier erst recht unrealistisch. Politikwissenschaftlerin Münch meint, Merz komme damit Wünschen der Parteibasis nach, erhöhe aber die Distanz zu liberal eingestellten Mandatsträgern. "Bislang klappt es noch, auch beim Thema Migration den Abstand zur AfD zu wahren, das ist aber eine Gratwanderung - vor allem auch deshalb, weil ein Teil der ostdeutschen Landesverbände der CDU diese Distanzierung von der AfD sogar ablehnen."

Merz und die "kleinen Paschas"

Nach den Silvesterkrawallen und der anschließenden Debatte über mutmaßliche Täter mit Migrationshintergrund, wurde Merz wieder deutlich. Im ZDF sagte er: "Wir sprechen hier über Leute, die eigentlich in Deutschland nichts zu suchen haben." Und dann folgte die Aussage über die "kleinen Paschas" in den Grundschulen: "Da fängt es an."

Merz' Wortwahl gefällt nicht allen in der Partei. Bei der Klausur des CDU-Vorstandes in Weimar gab es dann auch Kritik. Und auch Generalsekretär Mario Czaja betonte, manchmal müsse man zuspitzen. Es sei aber wichtig, auf die Sprache zu achten.

Leerstelle beim Klimaschutz

Die CDU weiß, dass sie jünger und weiblicher werden muss. Ausgerechnet Merz hat eine Frauenquote erkämpft, doch der Weg ist lang. Die Partei weiß auch, dass sie auf zu viele Fragen der Zeit noch keine ausreichende Antwort hat. Beim Klimaschutz zum Beispiel. Das ist nicht einfach zu vermitteln bei einem Parteichef, der gern mal den Privatflieger nimmt.

Merz sagt, Deutschland müsse Industrieland bleiben, den Klimawandel ein Stück weit annehmen. Er will sagen, Deutschland muss sich anpassen, aber auch mehr tun. Er setzt dabei weniger auf Regulierung, auch wenn es ohne nicht gehe. Merz wirbt für marktwirtschaftliche Lösungen. Er spricht sich für einen 360-Grad-Blick in der Energiepolitik aus. Heißt auch, Atomkraftwerke sollen länger laufen und Forschung zur Kernenergie ermöglicht werden.

Merz und die K-Frage

Was heißt das alles für die nächste Bundestagswahl? Wäre Merz der richtige Kandidat für 2025? Er ist jetzt 67 Jahre alt, wäre er der Richtige, um Aufbruch und Moderne zu verkörpern? Offiziell ist das alles natürlich im Moment kein Thema. Er selbst würde wohl mit einem lauten "Ja" auf die Frage antworten, ob er sich das Kanzleramt zutraue.

Doch der ARD-DeutschlandTrend von Anfang des Jahres stellt ihm kein gutes Zeugnis aus. Nur 29 Prozent sind mit der Arbeit des Oppositionsführers zufrieden. Also vielleicht doch ein anderer Kandidat? Im Moment sei es keine gute Idee, Merz aufzustellen, meint Politikwissenschaftlerin Münch. Mit ihm werde es schwer, die Grünen als Koalitionspartner zu gewinnen, was der Union nach derzeitigem Stand aber gelingen müsse. Dagegen spreche auch, "dass die Union mit einer Kandidatur von Friedrich Merz signalisieren würde, dass sie die Hoffnung aufgegeben hat, jüngere und gesellschaftspolitisch liberal eingestellte Wählerinnen und Wähler für die Partei zu gewinnen".

Günther, Wüst, Söder

Vor allem zwei beliebte Unionsministerpräsidenten werden immer wieder genannt, wenn es um die Kanzlerfrage geht: die Wahlsieger von 2022, Daniel Günther aus Schleswig-Holstein oder Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen. Sie sind deutlich jünger als Merz und stehen eher für sanftere, versöhnlichere Töne. Und sie regieren beide mit den Grünen.

Dass die Union auch Klimaschutz kann, müssen sie - anders als Merz - nicht erst beweisen. Und dann wäre da noch Markus Söder. Der CSU-Chef stand neben Merz, als der mit Blick auf den unionsinternen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur verkündete: "So etwas wie 2021- so ein Annus horribilis - das wird sich nicht wiederholen." Doch Zweifel bleiben.

Sabine Henkel, Sabine Henkel, WDR, 21.01.2023 20:21 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Kultur am 20. Januar 2023 um 17:20 Uhr.