Aus für die Kenia-Koalition in Brandenburg Woidke in der Kritik
Die brandenburgische Landesregierung hat den Streit um die Krankenhausreform nicht überstanden. Ministerpräsident Woidke entließ erst eine grüne Ministerin im Bundesrat, danach kam das Aus. Vizekanzler Habeck spricht von einem "unfassbaren" Vorgang.
Mit der Entlassung von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) und dem Rücktritt ihres Parteifreunds, des brandenburgischen Umweltministers Axel Vogel, ist die Brandenburger Kenia-Koalition kurz vor dem Ende der gemeinsamen Regierungszeit zerbrochen. Ausgangspunkt war ein Streit zwischen Nonnemacher und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der darin mündete, dass Woidke Nonnemacher entließ - vor der Abstimmung über die Krankenhausreform im Bundesrat.
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck nannte Woidkes Vorgehen "unfassbar". Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er: "Egal, wie sehr man politisch auseinander liegt, man sollte immer einen menschlichen Umgang miteinander pflegen. Die Entlassung ist ein Alarmzeichen: Das passiert, wenn sich ein SPD-Ministerpräsident im Vorgriff auf eine Koalition schon mal Sahra Wagenknechts Bündnis andient."
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) würdigte den Einsatz Ministerin Nonnemachers für die Reformpläne für deutsche Krankenhäuser: "Sie hat sich insbesondere dafür eingesetzt, dass in Brandenburg die Notfallversorgung in dem Umfang erhalten bleiben kann, wie sie notwendig ist. Das ist ihr Verdienst."
Nonnemacher spricht von "Tiefpunkt politischer Kultur"
Vor der Sitzung im Bundesrat kam es in der Koalitionsrunde offenbar zum Konflikt mit dem Ministerpräsidenten über das Abstimmungsverhalten zur Krankenhausreform. Nonnemacher soll verdeutlicht haben, dass sie sich nach erreichten Verbesserungen im Klinikgesetz gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses stellen wird. Daraufhin habe der Ministerpräsident gedroht, sie vor der Sitzung zu entlassen, schilderte die Grünen-Politikerin.
"Solange ich keine Entlassungsurkunde in den Händen halte", werde sie ihre Rede halten, habe sie gesagt. Dann kam es um zehn Uhr zum Showdown. Der Regierungschef akzeptierte das Votum Nonnemachers nicht und verhinderte mit der Entlassung eine Enthaltung Brandenburgs in der Länderkammer. Die rot-schwarz-grüne Koalition hatte vereinbart, dass sie sich im Bundesrat enthält, wenn sie sich nicht einig ist.
"Kann mir da nicht auf der Nase rumtanzen lassen"
Noch auf dem Bundesratsflur in Berlin bekam Nonnemacher nach eigener Schilderung ihre Entlassungspapiere - kurz vor dem Votum. Die 67-jährige Ärztin sprach von einem "Tiefpunkt der politischen Kultur". Der anschließende Rücktritt von Umweltminister Vogel sei eine Konsequenz "aus dem respektlosen Umgang des Ministerpräsidenten mit der bisherigen Gesundheitsministerin", heißt es in einer Mitteilung ihrer Partei. Eine Zusammenarbeit sei nicht mehr möglich.
Den Rücktritt von Vogel nahm Woidke an - und sagte zur Entlassung Nonnemachers im Interview mit RTL/ntv: "Ich kann mir da nicht auf der Nase rumtanzen lassen." Woidkes Regierungssprecher teilte zur Entscheidung des SPD-Politikers mit: Mit diesem "divergierenden Abstimmungsverhalten" wären Brandenburgs Stimmen in der Länderkammer ungültig gewesen.
Woidke wollte nach Auskunft von Regierungssprecher Florian Engels die Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag erreichen. Die für die Krankenhäuser zuständige Fachministerin Nonnemacher aber war dagegen und warnte: "Das führt zu einer Versenkung dessen, was hier in zwei Jahren mühsam ausgehandelt worden ist."
Verhältnis galt schon länger als angespannt
Das Verhältnis zwischen Woidke und Nonnemacher galt schon länger als angespannt. In der Corona-Krise verlagerte er die Zuständigkeit für das Impfen zwischenzeitlich von ihrem Ministerium zum Innenressort. Im März enthielt sich der Ministerpräsident im Bundesrat bei der Entscheidung über eine Teillegalisierung von Cannabis nicht wie in Streitfällen der Koalition, sondern setzte sich für ein Nachschärfen der Gesetzespläne ein und rief den Vermittlungsausschuss an. Nonnemacher sprach im Rückblick von "Vertrauensbruch".
Die bis dato regierende Koalition aus SPD, CDU und Grünen war aber ohnehin nur noch geschäftsführend im Amt - bis zur Bildung einer neuen Regierung. SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wollen neue Koalition schmieden und befinden sich im Endspurt ihrer Verhandlungen.