
Rückgabe der Benin-Bronzen "Ein Stück Gerechtigkeit"
125 Jahre nach ihrem Raub durch europäische Kolonialherren sind die Benin-Bronzen zurück in ihrer Heimat Nigeria. Außenministerin Baerbock sprach vor der Übergabe von einem "längst überfälligen Schritt".
Es ist ein historischer Moment, als der deutsche Regierungs-Airbus nach gut sechs Stunden Flug in der nigerianischen Hauptstadt Abuja landet. 20 Kunstwerke, die zu den Benin-Bronzen zählen, sind jetzt wieder in ihrer Heimat. 125 Jahre, nachdem sie dort geraubt wurden.
Eine Maske aus Elfenbein aus einem königlichen Schlafgemach. Messing-Plastiken, die die Köpfe verstorbener Herrscher abbilden. Dazu Schmuckstücke und ein repräsentatives Schwert: wertvolle Kunst, teils Jahrhunderte alt, wie sie wohl noch nie an Bord einer Regierungsmaschine war. Sorgfältig verpackt in weißen Transportkisten, verstaut im Frachtraum.
"Heute gehen wir einen Schritt, der längst überfällig war", sagte Außenministerin Annalena Baebock zu Beginn ihrer Reise. "Gemeinsam mit den Bundesländern, Städten und Museen zeigen wir, dass Deutschland es ernst meint mit der Aufarbeitung seiner dunklen Kolonialgeschichte."
"Blanker Raub"
Im 19. Jahrhundert hatten sich europäische Staaten einen Wettlauf geliefert, den afrikanischen Kontinent zu besetzen und die Bevölkerung gewaltsam zu unterdrücken und auszubeuten. Es war die britische Armee, die 1897 den Königspalast von Benin plünderte und Tausende Kunstwerke nach Europa brachte.
Von "blankem Raub" spricht der Historiker Götz Aly. Es habe keinerlei Dokumentation über den ursprünglichen Zustand der Kunstwerke gegeben.
Das Königreich Benin lag auf dem Gebiet des heutigen Staates Nigeria. Die nigerianische Regierung hatte jahrzehntelang für die Rückgabe der geraubten Benin-Bronzen gekämpft. Historiker Aly erinnert daran, dass sich deutsche Institutionen noch bis vor Kurzem dagegen gesperrt hatten.

Im Sommer hatten Außenministerin Baerbock und Nigerias Kulturminister Lai Mohammed die Rückgabe vereinbart. Bild: AP
Umdenken in den Museen
Der öffentliche Druck sorgte für einen Sinneswandel in Deutschland, in der Öffentlichkeit, in der Politik - und konkret in Museen in Berlin, Köln, Hamburg, Leipzig und Stuttgart, wo die Objekte seit Jahrzehnten ausgestellt waren. Es ist wohl auch ein Zeichen dieses Umdenkens, dass mehrere Museums-Direktorinnen und Direktoren zur Übergabe der Kunstwerke mit nach Nigeria gereist sind.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und damit für das Berliner Humboldt Forum verantwortlich, spricht von einem "Modellfall" und rechnet mit einer neuen Zusammenarbeit mit Nigeria und mit dem globalen Süden insgesamt. Denn beim Umgang mit der Kolonialgeschichte bleibt noch viel zu tun: Nanette Snoep, die das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln leitet, weist darauf hin, dass etwa 70 Prozent des afrikanischen Kulturerbes in europäischen und nordamerikanischen Museen liegen.
Als Leihgabe in Deutschland
"Keine Geste, sondern ein Stück Gerechtigkeit" - so hatte es Außenministerin Baerbock im Sommer formuliert, als die deutsche und die nigerianische Regierung in Berlin die zentrale Vereinbarung zur Übertragung der Benin-Bronzen unterzeichneten. Verabredet ist auch, dass ein Drittel der Kunstwerke als Leihgaben in deutschen Museen bleiben können.
Für die Objekte, die zurück nach Nigeria gehen, wird mit deutscher Unterstützung eine Ausstellungshalle gebaut - und zwar an dem Ort, wo die Kunst damals geraubt wurde: in Benin-City, im Südwesten Nigerias.
Feierliche Übergabe
Kulturstaatsministerin Claudia Roth, ebenfalls mit der Delegation angereist, will das Baugrundstück für das künftige Museum besichtigen. Sie hofft auf eine enge Kooperation und will auch die gemeinsame Ausbildung junger Museumsmacher fördern. Beim Besuch in Benin-City steht auch eine Tour durch die Zunftgasse auf dem Programm. Dort zeigen Bildhauerinnen und Bildhauer, wie im damaligen Königreich Kunstwerke aus Bronze und Messing gefertigt wurden.
Höhepunkt der Nigeria-Reise ist eine feierliche Zeremonie am Dienstag: Außenministerin Baerbock wird dann die mitgebrachten Kunstwerke offiziell an die nigerianische Regierung übergeben. Dann sind die ersten der Benin-Bronzen aus Deutschland endgültig in ihrer Heimat angekommen. Nach 125 Jahren.