Hubert Aiwanger und Markus Söder stehen bei einer Pressekonferenz nebeneinander

Sondersitzung am Dienstag Koalitionsausschuss tagt zum Fall Aiwanger

Stand: 28.08.2023 10:51 Uhr

Bayerns Ministerpräsident Söder sieht im Skandal um seinen Vize Aiwanger weiter Klärungsbedarf. Er berief für Dienstag eine Sondersitzung des Koalitionsausschusses ein. Dann soll sich der Chef der Freien Wähler zur Flugblatt-Affäre äußern.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gibt sich mit der bisherigen Erklärung seines Stellvertreters Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt nicht zufrieden. Er berief deshalb eine Sondersitzung des Koalitionsausschusses ein. Söder habe die Freien Wähler für Dienstagvormittag zu der Sitzung einbestellt, teilte Staatskanzleichef Florian Herrmann der Nachrichtenagentur dpa mit.

Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger, der auch Bundesvorsitzender der Freien Wähler und Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Oktober ist, hatte am Wochenende bestritten, als Schüler in den 1980er-Jahren ein antisemitisches Flugblatts verfasst zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) berichtet hatte. Es liegt auch dem Bayerischen Rundfunk vor. Er habe lediglich eines oder mehrere Exemplare in seiner Schultasche gehabt. Ob er es auch weitergegeben habe, sei ihm nicht erinnerlich. "Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend", hieß es in der Erklärung Aiwangers. Sein älterer Bruder gab wenig später an, das Flugblatt verfasst zu haben.

Die CSU habe Aiwangers Erklärung zur Kenntnis genommen. "Aber es bleiben viele Fragen offen. Diese kann nur Hubert Aiwanger persönlich beantworten", sagte Staatskanzleichef Herrmann nun. "Wir erwarten, dass dies zeitnah geschieht. Die Vorwürfe sind zu ernst, als dass sich ein stellvertretender Ministerpräsident nur schriftlich äußert und entscheidende Fragen unbeantwortet lässt." Aiwanger müsse sich über die schriftliche Stellungnahme hinaus "persönlich und umfassend erklären". Es gehe um das "Ansehen Bayerns".

Flugblatt tauchte in den 1980er-Jahren auf

Die "SZ" hatte in ihrer Samstagsausgabe unter Berufung auf Augenzeugen, die anonym bleiben wollten, berichtet, Aiwanger sei als Urheber des Pamphlets zur Verantwortung gezogen worden. Er war damals in der elften Klasse. Demnach traf sich deswegen der Disziplinarausschuss der Schule. Aiwanger habe seine Urheberschaft nicht bestritten und sei "bestraft worden".

Die Schrift tauchte dem Bericht zufolge im Schuljahr 1987/88 in der Schultoilette auf. Verfasst wurde sie offenbar anlässlich des "Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten", an dem das Burkhart-Gymnasium teilnahm. Das Flugblatt wurde aber nicht zu dem Wettbewerb eingereicht, sondern verspottete ihn.

Es ruft zur Teilnahme an einem angeblichen Bundeswettbewerb auf: "Wer ist der größte Vaterlandsverräter?" Bewerber sollten sich "im Konzentrationslager Dachau zu einem Vorstellungsgespräch" melden, hieß es darin. Als erster Preis wurde "Ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz" ausgelobt. Weiter zu gewinnen sei "Ein lebenslänglicher Aufenthalt im Massengrab".

Landtags-Vize Freller: "Verteilen ist nahe am Verfassen"

Noch bevor Söder die Sondersitzung einberief, hatte Bayerns Landtags-Vizepräsident Karl Freller (CSU) deutliche Kritik an Aiwanger geübt. "Dieses Pamphlet ist so unsäglich und widerwärtig, dass man nicht mehr von einem dummen Jungenstreich sprechen kann", sagte er im Deutschlandfunk.

Er wolle zwar jetzt nicht den Stab über Aiwanger brechen, es seien jedoch viele Fragen offen. Das Bekenntnis von Aiwangers Bruder, er habe das Flugblatt verfasst, werfe auch noch viele Fragen auf. Die Erklärung reiche nicht aus. Das Flugblatt sei sehr bewusst antisemitisch formuliert worden. Die Urheberschaft müsse geklärt werden, bevor es weitere Maßnahmen gibt, betonte Freller. Er gab aber auch zu bedenken: "Auch Verteilen ist nahe am Verfassen."

Opposition macht Druck auf Söder

Söder, der Aiwanger am Samstag zu einer raschen Aufklärung gedrängt hatte, hatte sich am Sonntag nicht mehr zu dessen Erklärungen geäußert. Die Landtags-Opposition hatte den Druck auf Söder deshalb massiv erhöht. Grüne, SPD und FDP forderten vom Regierungschef eine zügige Stellungnahme zu dem Fall.

Je nachdem, wie diese ausfällt, wollen die drei Oppositionsfraktionen dann über einen möglichen Antrag auf eine Sondersitzung im Landtag entscheiden. "Der Ball liegt beim Ministerpräsidenten. Er muss sich am Montag zum Skandal um seinen Stellvertreter erklären. Abhängig von seiner Reaktion werden wir beraten, ob wir eine Sondersitzung einberufen", sagte FDP-Fraktionschef Martin Hagen.

Der SPD-Fraktionsvorstand habe bereits einstimmig dafür votiert, sagte Fraktionschef Florian von Brunn. "Ziel ist, die Entlassung von Hubert Aiwanger auf die Tagesordnung des Landtags zu setzen, um die notwendigen Konsequenzen zu ziehen - bevor noch mehr Schaden für Bayern entsteht."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. August 2023 um 08:02 Uhr.