Hubert Aiwanger

Zentralrat der Juden Aiwanger und Schuster wollen sich treffen

Stand: 07.09.2023 14:43 Uhr

Der von Antisemitismusvorwürfen belastete Freie-Wähler-Chef Aiwanger und der Präsident des Zentralrats der Juden wollen sich zum Gespräch treffen. An anderer Stelle wurde eine Entschuldigung Aiwangers abgeblockt.

Vor dem Hintergrund der Flugblatt-Affäre und den dadurch gegen Hubert Aiwanger im Raum stehenden Antisemitismusvorwürfen wollen sich der bayerische Wirtschaftsminister und der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, treffen. Das Büro Schusters teilte auf Anfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland mit, es stehe mit dem Büro Aiwangers im Gespräch, um einen Termin für ein Gespräch zu finden.

Schuster selbst hatte sich im Internetportal "evangelisch.de" zu der Affäre geäußert. Zwar nannte er die Entscheidung von Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder, Aiwanger im Amt zu belassen, als "nachvollziehbar". Gleichzeitig sei der Umgang des Wirtschaftsministers und Vorsitzenden der Freien Wähler mit den gegen ihn im Raum stehenden Vorwürfen "irritierend". Schuster betonte, er vermisse bei Aiwanger "eine wirkliche innere Auseinandersetzung mit den Vorwürfen und seinem Verhalten zur Schulzeit".

Ähnlich hatte sich der Zentralratspräsident bereits im Interview mit den tagesthemen geäußert. Er warf Aiwanger vor, sich zwar entschuldigt zu haben - aber es sei unklar geblieben, wofür genau eigentlich. Echte Reue und Demut habe Schuster bislang nicht erkennen können.

Dachau lehnt Besuch Aiwangers ab

Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden und heutige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hatte eine Entschuldigung Aiwangers sogar abgelehnt. Aber auch sie akzeptiere die Entscheidung Söders, den Vorsitzenden seines Koalitionspartners im Amt zu belassen - als einen politischen Schritt, so Knobloch.

Eine Absage erteilte auch die KZ-Gedenkstätte Dachau. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte vorgeschlagen, Aiwanger solle das ehemalige Konzentrationslager besuchen. Doch eine Sprecherin der Gedenkstätte betonte, ein solcher "öffentlichkeitswirksamer politischer Besuch im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl" sei unerwünscht.

"Im Zweifel für den Angeklagten"

Rückhalt bekam Aiwanger hingegen nun von dem jüdischen Historiker Michael Wolffsohn. Dieser betonte im Gespräch mit der "Augsburger Allgemeinen": "Für mich gilt der europäische, urzivilisatorische Wert: 'Im Zweifel für den Angeklagten.'" Es sei richtig, dass Aiwanger seinen Posten als Wirtschaftsminister behalten habe. Denn eine Strafe ohne erwiesene Tat widerspreche fundamentalen europäischen beziehungsweise christlich-jüdischen Werten, sagte der Historiker weiter. Keine kenne die Fakten rund um die Flugblatt-Affäre - mit Ausnahme der Gebrüder Aiwanger selbst.

Wolffsohn stimmte Aiwanger auch in dem Vorwurf zu, dass eine Kampagne gegen ihn und die Freien Wähler geführt werde. Wolffsohn betonte:

Ein Narr, wer glaubt, es wäre keine Kampagne. Der oder die vermeintlich Wissenden wussten das alles seit 1988. Erst jetzt, 2023, gehen sie damit an die große Öffentlichkeit. Jetzt, da Aiwanger und seine Partei mit einem großen Wahlerfolg rechnen konnten.

Zudem dürfe niemand "mit zweierlei Maß messen", hieß es von Wolffsohn weiter. Wer die "Jugendsünden" anderer Politiker wie Joschka Fischer oder Jürgen Trittin verzeihe, müsse das auch Aiwanger zugestehen. Der Grünen-Politiker Fischer hatte 2001 linksradikale Ansichten eingeräumt, die er in den 1970er-Jahren vertreten habe. Er habe auch Gewalttaten gegen Polizisten verübt. Auch Trittin, ebenfalls Grüne, hatte zu dieser Zeit eine "linksextreme Phase" und die frühere Mitgliedschaft im Kommunistischen Bund eingestanden.

Die Affäre um ein antisemitisches Flugblatt, verfasst in Aiwangers Schulzeit, wurde Ende August bekannt. Später gab der Bruder des Wirtschaftsministers, Helmut, an, das Flugblatt geschrieben zu haben. In Interviews warfen ehemalige Mitschüler Aiwanger aber vor, antisemitisches Verhalten an den Tag gelegt zu haben. So habe der Freie-Wähler-Chef in der Schule beispielsweise den Hitlergruß gezeigt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. September 2023 um 13:00 Uhr.