Maximilian Krah, Tino Chrupalla und Alice Weidel (v.l.)

Aufstellung für Europawahl 2024 Die AfD und ihr Wackelkandidat

Stand: 28.07.2023 21:46 Uhr

In Magdeburg will sich die AfD mit "Harmonie" und "Disziplin" für die Europawahl 2024 aufstellen. Ausgerechnet an der Spitzenkandidatur gibt es allerdings Zweifel. Die Unruhe wird eher größer als kleiner.

Es lief schon schlechter für die AfD. Seit einem Monat liegt sie in Umfragen stabil bei Werten um die 20 Prozent. In der Bundestagsfraktion arbeitet man schon an einem "Sofort-Regierungsprogramm". Und vor dem Messesaal sitzt der erste AfD-Landrat, Robert Sesselmann aus Thüringen, und signiert Wahlplakate für die Parteifreunde. Der Protest gegen die AfD draußen an der Zufahrt dringt akustisch nicht hierher.

Drinnen gibt es statt Redeschlachten bestenfalls kurze Schlagabtausche. Parteichef Tino Chrupalla will "Harmonie" und "Disziplin" in der Partei ausgemacht haben. Die "Marke" AfD, sagt Chrupalla, sei nach dem Abgang seines Vorgängers Jörg Meuthen "repariert" worden. Dem Parteichef fällt an diesem ersten von insgesamt sechs Tagen die Rolle zu, den EU-Kurs der Partei zu definieren.

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Zurückhaltung gegenüber Russland und China

Für Chrupalla geht das weniger über Brüsseler Bürokratie oder Migration, sondern vor allem um Europas Rolle in der Welt - und damit um den Ukraine-Krieg. Das Bild, das Chrupalla für den Krieg wählt, sind keine Menschen in Luftschutzkellern oder die Opfer von Butscha, sondern "junge Ukrainer", die "in deutschen Panzern im Kampf gegen Russland" sterben. 

In der Welt von Chrupalla setzen "mehrere Weltmächte in verschiedenen Regionen ihre Vorstellungen von Recht und Ordnung durch". Es ist eine Aussprache gegen die NATO und die USA - und für Zurückhaltung gegenüber China und Russland. In dieser Welt gibt es auch keine Sanktionen. Und ein "Europa der Vaterländer" statt der EU.

So steht es bereits im Leitantrag für das Europawahlprogramm. Über dieses will die Partei aber erst am kommenden Wochenende debattieren. Vorher sollen ab Samstag die Kandidaten gewählt werden. 

Weidel-Machtwort pro EU-Gelder

Für den Freitag, der als Bundesparteitag läuft, liegt so nur eine wesentliche inhaltliche Debatte an: Soll die AfD der europäischen Partei "Identität und Demokratie" beitreten? Mit vielen anderen ganz oder teils extrem rechten Parteien wie der FPÖ, der italienischen Lega oder dem französischen Rassemblement National sitzt man in Brüssel bereits in einer gemeinsamen Fraktion gleichen Namens. Der dahinter stehenden Europapartei ist die AfD als einzige Beteiligte bislang nicht beigetreten.

Das soll sich nun ändern, auch - so begründen es die Befürworter - damit Mittel aus der Parteienförderung an die AfD fließen. Manche schäumen. Es drohe der Verlust der Glaubwürdigkeit als "Dexit-Partei", meint ein Landeschef. Einerseits aus der EU austreten wollen, andererseits von ihr Geld nehmen - das gehe nicht zusammen.

Doch wenig später springt Parteichefin Alice Weidel für den Antrag in die Bresche. Eine deutliche Mehrheit stimmt für den Beitritt. Anders als bei vorherigen Parteitagen wirkt das Machtwort der Bundesspitze.

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Potenzieller Spitzenkandidat Krah polarisiert

Die Welt der AfD sähe allerdings noch rosiger aus, wäre da nicht Maximilian Krah. Der Sachse sitzt im Bundesvorstand und im Europaparlament. Er gilt als designierter Spitzenkandidat für die Europawahl.

Krah steht für den maximal russlandfreundlichen Kurs, der Tino Chrupalla und Björn Höcke eint. Und er reist nicht nur regelmäßig zu dem Publizisten Götz Kubitschek nach Schnellroda, er publiziert auch in dessen extrem rechten Antaios Verlag.

Krah hat zudem mehrfach für Spannungen in der Fraktion Identität und Demokratie und der AfD-Delegation gesorgt. Ihm wird vorgeworfen, ein Vergabeverfahren beeinflusst zu haben, was Krah bestreitet. Er zeigte Verständnis für die Kommunistische Partei Chinas oder für die Taliban in Afghanistan.

Mit Krah als Spitzenkandidaten dürfte es bis zum nächsten Jahr vor allem um Krah gehen - und weniger um die AfD, fürchtet mancher. Auch Krah selbst zeigt in Gesprächen nicht hundertprozentige Zuversicht. Ein Ausweg, der im Raum steht: Er kandidiert vorne, aber nicht auf der Eins.

Suche nach Alternativen

Entsprechend viel Bewegung herrscht in Magdeburg. Kandidaten und Spitzenpolitiker großer Landesverbände stecken mehrfach die Köpfe zusammen. Die Liste der Alternativen wird dabei größer statt kleiner. Ein halbes Dutzend Namen wird intern gehandelt. Dazu zählt René Aust, 36, Landtagsabgeordneter aus Thüringen. Ein Kandidat, der wie Krah auf die Unterstützung des Lagers um Björn Höcke angewiesen ist.

Als mögliche Kompromisskandidatin wird Christine Andersson genannt. Die Hessin sitzt bereits für die AfD in Brüssel. Zuletzt hat sie dort beantragt, den Jahrestag der Schlacht am Kahlenberg von 1683, also die Rückschlagung der osmanischen Truppen vor Wien, zum europäischen Gedenktag zu machen. Laut Anderson ist die Identität der europäischen Völker heute ähnlich bedroht.

Für die größte inhaltliche Differenz zu Krah stünde Norbert Kleinwächter. Der Fraktionsvize im Bundestag hat sich öffentlich gegen den tonangebenden Russlandkurs in der Bundestagsfraktion gestellt - und auch gegen Tino Chrupalla. Bei der Bundessprecherwahl vor einem Jahr holte Kleinwächter 36 Prozent. Mehr als erwartet, aber wohl kaum genug, um Spitzenkandidat zu werden, heißt es aus der Partei.

Auch Kleinwächters Fraktionskollege Martin Sichert, vor einem Jahr als Ex-Landeschef aus Bayern nach Niedersachsen gewechselt, läuft sich am Freitag warm. So argumentiert er gegen den Beitritt der AfD zur europäischen Partei ID. Man dürfe vor dem Scheckbuch aus Brüssel nicht einknicken, ruft Sichert. "Wir sind die Alternative für Deutschland, nicht für Europa."

Die Mehrheit im Saal lässt sich davon nicht beeindrucken. Dass Sichert auf diesem Wege kaum verhohlen um Stimmen aus dem völkischen Lager wirbt, bleibt vielen allerdings nicht verborgen.