AfD-Chef Chrupalla im sogenannten "Kristallsaal" der Kölner Messe, der für das Verfahren zu einem Gerichtssaal umgewandelt wurde

Ganze AfD Verdachtsfall Ein Urteil und seine möglichen Folgen

Stand: 09.03.2022 13:11 Uhr

Der Verfassungsschutz darf die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen. Die Partei prüft, ob sie gegen dieses Urteil in Berufung geht - denn die Folgen könnten gravierend sein.

Von Jim-Bob Nickschas, ARD Berlin

"Uns hat das Urteil des Gerichts überrascht" - mit dieser Aussage steht AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla im politischen Berlin weitgehend alleine da. Und doch ist das Urteil des Kölner Gerichts eine Zäsur.

Dass nun erstmals eine im Bundestag vertretene Partei im Ganzen vom Verfassungsschutz beobachtet werden könnte, sei nicht nur ein relevanter, sondern auch ein sicherheitspolitischer Vorgang, betont Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. "Und er wirft natürlich Fragen auf, auch für den Deutschen Bundestag selbst, zum Beispiel bei der Geheimdienstkontrolle."

Denn die AfD ist Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags, das unter anderem die Arbeit des Verfassungsschutzes kontrollieren soll. Das könne so aber nicht bleiben, sagt der Vorsitzende des Gremiums, Roderich Kiesewetter. "Wenn dieses Urteil letztinstanzlich bestätigt ist, ist das natürlich nicht möglich, dass eine Partei, die als Verdachtsfall eingestuft ist, Mitglied des Kontrollgremiums ist", so der CDU-Politiker.

Können AfD-Mitglieder Beamte bleiben?

Doch nicht nur für die Arbeit im Bundestag könnte das Kölner Urteil weitreichende Folgen haben - sondern auch für bestimmte Mitglieder der AfD: Beamtinnen und Beamte, Beschäftigte im Öffentlichen Dienst.

Sie alle hätten schließlich einen Eid auf die Verfassung abgelegt, betont der Präsident des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF:

Insofern ist eine Mitgliedschaft in der AfD durchaus kritisch zu sehen, und ich könnte mir vorstellen, dass es jetzt in zahlreichen Fällen Einzelfallprüfungen geben wird, ob diese Personen im Öffentlichen Dienst verbleiben können.

AfD befürchtet offenbar Austrittswelle

Dass solche Prüfungen für Beamtinnen und Beamte tatsächlich Konsequenzen haben, hält man im AfD-Bundesvorstand offenbar für nicht sehr wahrscheinlich. In mehreren Rundschreiben vor und nach dem Kölner Urteil, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegen, versucht man zu beruhigen: Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes in der AfD, die nachweisbar für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einträten, hätten weder Disziplinarmaßnahmen noch eine Kürzung ihrer Pensionsansprüche zu befürchten, heißt es da - wohl auch, um eine Austrittswelle aus der Partei zu verhindern. Offenbar hatten sich nach dem Urteil am Abend zahlreiche AfD-Mitglieder beim Vorstand gemeldet.

Politisch gesehen kommt die Entscheidung für die AfD auch zur Unzeit - kurz vor mehreren Landtagswahlen. Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP sprach bereits von einem Signal an die Bürgerinnen und Bürger, "sich sehr genau zu überlegen, ob man einer solchen Partei die Stimme geben kann, die eben ein Verdachtsfall ist, mindestens ein gespaltenes Verhältnis zu unserem Rechtsstaat zu haben."

 

Jim-Bob Nickschas, Jim-Bob Nickschas, ARD Berlin, 09.03.2022 12:01 Uhr