HSH Nordbank: Teil drei Pokerspiel von Provinzbankern

Stand: 13.10.2009 13:18 Uhr

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Das Gutachten der KPMG beschreibt mit wohlgesetzten Worten und kaufmännischen Fachbegriffen, was sich der Laie als Hütchenspiel vorstellen kann: So schnell bewegen sich die hochgiftigen Schrottanleihen zwischen HSH Nordbank, BNP Paribas und Zweckgesellschaften in Dublin hin und her, dass der Zuschauer gar nicht mehr weiß, wo die gefährlichen Risiken nun eigentlich stecken – und wer am Schluss die Zeche bezahlen muss.

"Im Falle von Omega 55", so der Finanzwirtschaftler Nippel, "hat man riskante Papiere zu Geld gemacht. Das macht sich in der Bilanz erst einmal gut, weil die liquiden Mittel wachsen. Dass man die Risiken dennoch wieder zurückholt, taucht in der Bilanz nicht auf. Welche Risiken man im Gegenzug eingeht, wird verschleiert. Dass die Beteiligung an der Zweckgesellschaft in Irland dazu führen kann, dass die HSH sehr schnell einen dreistelligen Millionenbetrag zahlen muss, ist für den Laien nicht erkennbar - und möglicherweise auch nicht für den Vorstand in Deutschland, den Aufsichtsrat und die Bankenaufsicht. Man könnte sagen, Omega 55 war eine besonders trickreiche Form der Bilanzkosmetik, wobei dann allerdings der Schuss nach hinten losgegangen ist." Die HSH Nordbank hat schweren Schaden genommen. Aber - wer hat am Hütchenspiel verdient?

"Provisionen und Honorare verdient"

Auch dafür gibt es eine Erklärung. Professor Peter Nippel: "Außerdem darf man nicht vergessen, dass mit solchen komplexen Transaktionen auch Provisionen und Honorare verdient werden. Daher haben Investmentbanker, Berater und Anwälte ein Interesse an derartigen Dingen, ohne dass dies immer mit den Interessen der Bank im Einklang steht." Die HSH Nordbank macht hauptsächlich den früheren Leiter der Londoner Niederlassung, Luis Marti-Sanchez, dafür verantwortlich. Er und weitere Ex-Banker sollen auch für andere "Geschäftsvorfälle" verantwortlich sein. Sie wurden von der HSH Nordbank bei der City of London Police angezeigt, die britische Finanzaufsichtsbehörde FSA und die BaFin wurden informiert.

HSH musste 35 Millionen Euro zahlen

Für Nippel ist bei dem Geschäft Omega 55 auffällig, dass die HSH Nordbank sofort einen Betrag von 35 Millionen Euro zahlen musste: "Nach meiner Einschätzung könnte diese Zahlung dazu gedient haben, den Finanzierungsbeitrag der BNPP zu reduzieren, oder sie diente letztlich dazu, die Kosten des ganzen Geschäftes zu decken. Dann war es fast so etwas wie ein durchlaufender Posten. Ob aus diese Mitteln auch verdeckte Provisionen gezahlt wurden, vermag ich nicht zu sagen. Aber wenn verdeckte Provisionen in Form von Beraterhonoraren gezahlt wurden, weshalb die Bank nun Strafanzeige erstattet hat, musste das Geld ja irgendwo herkommen."

Vorstand war an Omega 55 eingebunden

Doch Luis Marti-Sanchez will solche Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Er will seinerseits gegen die HSH Nordbank vorgehen und ist mit einem Hamburger Anwalt im Gespräch. Der hat Marti-Sanchez am Wochenende in London besucht und ihm die Übernahme der Mandantschaft angeboten. Insider beschreiben Luis Marti-Sanchez als seriös: "Das ist keiner, der alleine losläuft." Und der ehemalige HSH-Niederlassungsleiter hat gute Argumente. Denn der Kreditvertrag zeigt, dass der Vorstand in den "Eilbeschluss" zugunsten von Omega 55 eingebunden war. Danach haben führende HSH-Manager, darunter auch der jetzige Vorstandsvorsitzende Dirk Jens Nonnenmacher, den Verkauf von Immobilienrisiken in Milliardenhöhe angeschoben. Und dieses Geschäft war nur möglich, wenn die HSH Nordbank bereit war, die Risiken aus den Anlagen verdeckt wieder zurückzunehmen. Der Bilanzexperte Prof. Carl-Christian Freidank von der Uni Hamburg: "Insbesondere wird einsichtig, welche bilanzpolitischen Ziele die HSH, das heißt welche Risikopolitik von Vorstand und Aufsichtsrat mit dem gesamten Geschäft verfolgt wurden." Das alles belegt: Luis Marti-Sanchez war kein Einzeltäter. Es war der Zug der Lemminge.

"Kreislaufgeschäft"

Der Kreditantrag belegt auch: Man war sich darüber im Klaren, dass die Bankenaufsicht den Kreditantrag zu Omega 55 möglicherweise nicht genehmigen würde - und das mit gutem Grund. Denn bei genauer Prüfung wird klar, dass ein solcher Risikotausch die HSH Nordbank nicht von Risiken befreit, sondern nur die Bilanz kosmetisch aufbessert. "Dass das ganze ein Kreislaufgeschäft war", so Nippel, "um Risiken aus der Bilanz zu bekommen und sie auf dem Umweg über Irland wieder zurückzunehmen, ist nur für den erkennbar, der die Gesamtstruktur des Geschäftes genau kennt und durchschaut. Denn der oberflächliche Betrachter sieht bestenfalls, dass die HSH eine bedingte Zahlungsverpflichtung zugunsten von Omega 55 eingeht. Der Risikohebel von 100 Prozent, der es möglich macht, millionenschwere Verluste zurückzureichen, ist so ohne Weiteres nicht zu sehen."

Risikokontrolle hat versagt

Klar ist aber eins - und darauf weisen auch die Gutachter der KPMG hin - die Risikokontrolle der HSH Nordbank hat dabei komplett versagt. Auch das ist angesichts der Dimension des Geschäfts kein Londoner Problem. Es ist ein in Kiel und Hamburg hausgemachtes Problem. Es ist das Problem von renditetrunkenen Politikern, die ihre Etats sanieren wollten. Das Problem von Provinzbankern, die das ganz große Rad drehen wollten. Und ein Problem der Wirtschaftsprüfer: "In der Tat erhebt sich an dieser Stelle die Frage", so der Bilanzexperte Carl-Christian Freidank, "warum KPMG diese Bilanzierungsstrategie mitgetragen hat". Denn KPMG hat die Bilanzen der HSH testiert.

Und die PR-Offensive von Nonnemacher? Sie landet da, wo sie hingehört: Auf dem Müllhaufen, mit all den kunstvoll verpackten Schrottpapieren, mit denen die HSH Nordbank gehandelt hat, mit denen sie Milliardenverluste eingefahren hat. Ein Müllhaufen, für den der Steuerzahler jetzt gerade stehen muss.