Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Abschiebung von Clan-Mitgliedern Grüne gegen Faeser-Vorschlag

Stand: 08.08.2023 10:35 Uhr

Der Vorschlag von Innenministerin Faeser, wie Angehörige krimineller Clans in Zukunft leichter abgeschoben werden könnten, stößt bei den Grünen auf Ablehnung. Auch Rechtsexperten und Union äußerten Skepsis.

Die Grünen haben sich gegen einen Vorschlag des Bundesinnenministeriums ausgesprochen, der Abschiebungen von Angehörigen krimineller Clans erleichtern könnte. "Die Koalition hat vereinbart, die Abschiebepraxis zu reformieren und zu effektivieren", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Dazu erwarten wir von der verantwortlichen Innenministerin konkrete, belastbare Vorschläge", sagte Mihalic weiter.

"Dabei ist klar, dass außerhalb des Rechtsstaats stehende Regelungen für uns Grüne niemals zur Debatte stehen." Das gelte auch für Maßnahmen, "die nicht strafrechtlich verurteilte Verwandte von Kriminellen genauso behandeln wie Kriminelle". Die deutsche Geschichte "mahnt uns, dass Rechtsstaatlichkeit die eigentliche Brandmauer des Rechtsstaates ist".

Ministerium: Familienzugehörigkeit allein reicht nicht

Ein Diskussionspapier des Innenministeriums von Nancy Faseser (SPD) sieht vor, dass eine Ausweisung bereits möglich sein soll, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass jemand Teil einer kriminellen Vereinigung war oder ist. Dies solle auch dann gelten, wenn noch keine Verurteilung wegen einer Straftat vorliege. Eine vergleichbare Regelung gibt es bereits für Mitglieder terroristischer Vereinigungen.

Ein Ministeriumssprecher hatte zuvor erläutert, dass eine Abschiebung entsprechend einer solchen Regelung einen klaren Bezug zu kriminellen Aktivitäten voraussetzt. Eine Familienzugehörigkeit zum Clan allein reiche nicht.

Berliner Senatorin zurückhaltend

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bewertete den Vorschlag aus dem Innenministeriums zurückhaltend. Eine Sprecherin teilte mit, dass die bloße Zugehörigkeit zu einer Familie kein Entscheidungskriterium sein könne. "Es muss in einem Rechtsstaat stets um das individuell zurechenbare Verhalten gehen."

Allerdings gehe es dem Bundesinnenministerium in dem Diskussionspapier um eine "Angehörigkeit" zu einer kriminellen Vereinigung nach dem Strafgesetzbuch, also um eine "Mitgliedschaft" und nicht um Verwandtschaftsverhältnisse, hob die Sprecherin hervor. Klar sei, dass der demokratische Rechtsstaat alle zulässigen Möglichkeiten ergreifen müsse, um die Menschen vor Kriminalität zu schützen.

"Eine Ankündigung für den Hessen-Wahlkampf"

Unionspolitiker stuften die Idee als Wahlkampfmanöver Faesers ein. Die Bundesministerin ist SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl am 8. Oktober. "Das ist nur eine Ankündigung für den Hessen-Wahlkampf. Ich glaube, in konkreter Substanz wird davon wenig übrig bleiben", sagte der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor dem Fernsehsender "Welt".

Amthor wies darauf hin, dass es wegen fehlender Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern ohnehin schwierig ist, Abschiebungen durchzusetzen. Natürlich wäre es gut, da besser zu werden, aber vor allem "der Hahn der ungesteuerten Zuwanderung muss abgedreht werden", sagte er.

Kritisch gegenüber dem Vorschlag Faesers äußerte sich auch Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul: "Würde die Bundesinnenministerin echte Fortschritte erzielen wollen, würde sie ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren in Gang bringen, statt Ideensammlungen auf einer Homepage zu veröffentlichen", sagte er der "Bild".

Polizeigewerkschaft sieht Potenzial

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt den Vorstoß des Innenministeriums. "Wir brauchen mehr Instrumente im Kampf gegen Clan-Strukturen", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für den Bereich Bundespolizei und Zoll, Andreas Roßkopf, der "Rheinischen Post". Die Vorschläge der Bundesinnenministerin gingen in die richtige Richtung. "Diese oftmals kriminellen Großfamilien dürfen dem Staat nicht länger auf der Nase herumtanzen und sich sicher fühlen können", sagte Roßkopf weiter.

Wer keinen deutschen Pass habe und hier straffällig wird, müsse künftig besser abgeschoben werden können. Straftäter sollten auch in aufnahmebereite Drittstaaten abgeschoben werden können, wenn die Heimatländer sich sperrten, so Roßkopf. "Familienmitglieder von Intensivtätern sollten dann gleich mit abgeschoben werden, wenn sie per Familiennachzug zum Täter nachgekommen waren und finanziell von ihm abhängig sind."

Rechtsexperte spricht von "Geisterdiskussion"

Rechtsexperten äußerten sich hingegen skeptisch zu dem Vorschlag von Faesers Ministeriums. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass im Innenministerium ernsthaft erwogen wird, dass Menschen allein wegen ihrer Mitgliedschaft zu einer Familie ausgewiesen werden", sagte der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis dem "Tagesspiegel".

Ausweisungen müssten als Eingriff in Grundrechte "immer im Einzelfall gerechtfertigt sein". Der Asylrechtsexperte Daniel Thym von der Universität Konstanz sagte der Zeitung, die Vorschläge grenzten an eine "Geisterdiskussion". Selbst wenn die Behörden zu dem Schluss kämen, dass ein Grund für eine Ausweisung vorliege, stünde den Betroffenen immer noch der Klageweg offen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. August 2023 um 08:11 Uhr.