
Zukunft der Forstwirtschaft Glaubenskampf um den Wald
Wie soll der Wald der Zukunft aussehen - Rohstofflieferant oder Rückzugsort? Wie sich beides verbinden lässt, droht vor lauter Streit unterzugehen. Klar ist, dass sich mit dem Klimawandel etwas ändern muss.
Hatten wir das nicht schon mal? Einen "Nationalen Waldgipfel"? Doch, im Juni, einberufen von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Und jetzt schon wieder? "Nationaler Waldgipfel - Waldsterben 2.0" unter anderem mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Doch dahinter steckt diesmal eine private Aktion des bekannten Försters und Buchautors Peter Wohlleben. Der doppelte Gipfel zeigt, wie politische aufgeladen die Debatte um den von Trockenheit und Schädlingen gebeutelten Wald derzeit ist und dass hier zwei Lager kaum noch nutzbringend miteinander sprechen können.
Umweltministerin adelt private Veranstaltung
Nach drei Trockenjahren bekommt der Wald gerade wieder genügend Wasser. Das sollte die Lage ein bisschen entspannen. Aber jetzt ist Wahlkampf. Und da schart sich die Politik um die eigene Klientel und die Lobby um die Politiker. Als im Juni die Landwirtschaftsministerin ihren offiziellen Waldgipfel 2021 veranstaltete, standen die Waldbesitzer im Mittelpunkt und Wissenschaftler, die den Wald als Forst verstehen, vor allem also als eine bewirtschaftete Fläche.
Die Umweltministerin, Svenja Schulze, zuständig für Klima- und Artenschutz, kam da nicht vor. Nun spricht sie ein Grußwort beim privaten "Waldgipfel" von Peter Wohlleben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Auch Robert Habeck, Co-Chef der Grünen, gibt Wohlleben die Ehre und hier nun dominieren Waldökologen die Rednerliste. Einer ihrer prominentesten Köpfe ist Pierre Ibisch von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.

Peter Wohlleben, 57, ist durch seine Bücher und Auftritte in TV-Filme wohl Deutschlands bekanntester Förster geworden. Bis 2006 arbeitete er als Förster in Hümmel im Norden von Rheinland-Pfalz. Heute betreibt eine private "Waldakademie" in der Eifel. Für die meisten Waldbesitzer und Förster in Deutschland ist er schlicht ein rotes Tuch. Sie werfen ihm vor, sie zu diffamieren und persönliche Einschätzungen als wissenschaftliche Fakten zu verkaufen.
Verhärtete Fronten
Die beiden Lager reden kaum miteinander. Seit der Niedergang der Fichten-Monokulturen überdeutlich ist, entzündet sich der Streit am "wie weiter?". Für viele Förster ist der Borkenkäfer das eigentliche Problem, Waldökologen wie Ibisch machen die Forstwirtschaft selbst für den Schaden verantwortlich.
Fehlentscheidungen und übermäßige Gewinnorientierung hätten die Probleme erzeugt, Trockenheit und Borkenkäfer diese nur zugespitzt. Wohlleben wagt eine düstere Prognose: In zehn Jahren könne die Hälfte des Waldes verloren sein. Knut Sturm, Förster und Leiter des Stadtwaldes Lübeck, fordert sogar, den Förstern den Wald wegzunehmen, um ihn zu retten.
Unbestritten ist: Mehr Natur bietet eine Reihe ökologischer Vorteile. Naturnahe Wälder können mehr Wasser speichern und heizen sich nicht so auf. Und auch Waldbesitzer und konventionelle Förster wissen, dass sich etwas ändern muss. Aber sie fragen auch: Zahlt sich das aus? Schließlich wollen und müssen die privaten Waldbesitzer und auch viele Kommunen mit ihren Forsten Geld verdienen.

Deutschland ist zu fast einem Drittel bewaldet. Auch wenn man darin frei wandern kann: die Hälfte dieser Fläche ist Privatbesitz. 20 Prozent gehören Kommunen und ein Drittel ist Staatswald vor allem in der Hand der Länder, nur wenig gehört dem Bund.
Neue Baumarten gegen den Klimawandel
Deshalb suchen sie Konzepte für den "neuen Wald", die auch möglichst schnell neues Holz bringen und zwar solches, das nachgefragt ist: Nadel-Bau-Holz. Sie machen zwar hier und da Zugeständnisse, lassen mehr Altholz im Wald, erlauben Naturverjüngung und fördern Mischwald - aber sie halten eben am Waldbau fest.
Das bedeutet, dass der Mensch den Wald nicht einfach wachsen lässt, sondern nach seinen Bedürfnissen gestaltet. Und dazu gehört die Anpflanzung von neuen Baumarten. Ulrich Kohnle von der forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg etwa meint, dass jetzt Bäume gefunden werden müssten, die man in 20 Jahren pflanzen kann. Die Baumhasel erprobt er, oft steht aber auch die Douglasie hoch im Kurs.
Bäume austauschen - das ist zu wenig, sagt der Ökologe Ibisch. Mit einfachen Rezepten sei der schwer angeschlagene Wald nicht zu retten. Er plädiert für mehr Natur und weniger Forstwirtschaft, moniert zu viel Anbau und auch schweres Gerät, wie die Vollernter. Und auch wenn das bitter für die Betroffenen sei: Mehr Ruhe und weniger Eingriffe seien der einzige nachhaltige Weg durch die Krise. Die staatlichen Förster seien dazu sogar verpflichtet, sagt Wohlleben und er fordert eine "Prämie fürs Stehenlassen", damit die Waldbesitzer auf ihre Kosten kommen.
Woher soll das Holz kommen?
Im Detail ist das alles kompliziert. Beispiel Klimaschutz: Ein junger und stark wachsender Wirtschaftswald kann viel CO2 aufnehmen. Wenn man sein Holz für langlebige Güter nutzt, lässt sich vorübergehend viel Klimagas speichern. So argumentiert etwa Günter Franz von der Zentralstelle der Forstverwaltung in Rheinland-Pfalz. Wenn kein heimisches Holz mehr verwendet werden könnte, beispielsweise für den Hausbau, dann müsste der Rohstoff importiert werden. Das bedeutet dann klimaschädliche Transportwege.
Noch viel wichtiger ist aber, dass damit auch indirekt das Abholzen von Urwäldern etwa in Osteuropa unterstützt würde. Auf der anderen Seite kann ein heimischer, alter, naturbelassener Wald in absoluten Zahlen sehr viel mehr CO2 pro Hektar speichern, sagen die Ökologen. Je nach dem, welchen Aspekt man betont, kommt man zu sehr unterschiedlichen Bewertungen beider Systeme.
Es lohnt, darüber eine fruchtbare wissenschaftliche Diskussion zu führen. Aber danach sieht es nicht aus. Wohlleben wirft den Förstern in einem Spiegel-Interview vor, die müssten "irgendwelche Substanzen geschluckt" haben, um so "superbrutal" vorzugehen. Seine Kritiker wiederum tun alles, was er sagt als "Unterhaltung" ab.