Polizisten stehen hinter einem Polizei-Flatterband (Archivbild)

Geplante Entführung von Lauterbach Razzien gegen "Reichsbürger" in mehreren Bundesländern

Stand: 10.10.2023 12:56 Uhr

Seit Mai stehen Mitglieder einer mutmaßlichen Terrorgruppe in Koblenz vor Gericht - sie sollen die Entführung von Gesundheitsminister Lauterbach geplant haben. Die Polizei hat nun bei Razzien weitere Verdächtige festgenommen.

Die Polizei hat in mehreren Bundesländern Wohnungen sogenannter Reichsbürger durchsucht und Verdächtige festgenommen. Mehrere Haftbefehle wurden demnach vollstreckt. Die Razzien fanden in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg statt.

Die Generalstaatsanwaltschaft München teilte mit, ein in Wolfratshausen festgenommener Beschuldigter habe sich bereit erklärt, sich an der geplanten Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu beteiligen und dafür in Kroatien Schusswaffen zu besorgen.

Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff

In Rheinland-Pfalz wurden demnach ein 52-jähriger Mann und eine 32-Jährige Frau festgenommen. Der Mann steht unter Verdacht, Hochspannungsleitungen ausgekundschaftet zu haben. Die Frau soll mehrere Chatgruppen betrieben haben, in denen weitere Unterstützer angeworben wurden. Außerdem soll sie ein Dokument mit Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff erstellt haben. Beide sollten noch heute der Ermittlungsrichterin des Oberlandesgerichts Koblenz vorgeführt werden.

Außerdem ermitteln die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und das Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz gegen eine 53-Jährige, die von den Plänen gewusst, sie aber nicht angezeigt haben soll.

Anschläge auf Energieversorgung oder bei Regierungssitzung?

In Nordrhein-Westfalen wurde nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf ein 49-Jähriger festgenommen, dem eine "regionale Führungsrolle" in der Gruppe zugedacht gewesen sei - entweder bei den mutmaßlich geplanten Anschlägen auf die Energieversorgung oder bei einer womöglich später geplanten konstituierenden Sitzung einer neuen Regierung.

Wie die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main und das hessische LKA mitteilten, wurde in Hessen ein 61-Jähriger festgenommen. Er soll an Treffen der Gruppe teilgenommen und sich dazu bereiterklärt haben, an der mutmaßlich geplanten Entführung Lauterbachs mitzuarbeiten. Außerdem soll er seine Garage als Zwischenlager für Waffen angeboten haben. 

"Schulterschluss" mit russischen Stellen

Zudem sei er als Teil einer Delegation vorgesehen gewesen, die nach dem gewaltsamen Umsturz mit einem Schiff über die Ostsee in russische Küstengewässer habe fahren sollen.

Die Vorstellung der Gruppe sei gewesen, mit staatlichen russischen Stellen über einen "Schulterschluss" zu verhandeln und sich militärische Ausrüstung zu beschaffen. Bei der Untersuchung der Wohnung des 61-Jährigen seien unter anderem eine Armbrust und eine Luftdruckwaffe beschlagnahmt worden.

In Baden-Württemberg nahmen Beamte der rheinland-pfälzischen Polizei einen Menschen fest, der im Verdacht steht, der Vereinigung einen Server für konspirative Kommunikation zur Verfügung gestellt zu haben. Außerdem soll er sich an der Verwaltung einer geschlossenen Chatgruppe beteiligt haben.

Ein weiterer Beschuldigter soll Mitglieder der Gruppe bei einem Treffen in die Bedienung von Funkgeräten eingewiesen haben. Außerdem werfen ihm die Ermittler vor, er habe in Chatgruppen zur Teilnahme an Zusammenkünften der Vereinigung aufgerufen.

Lauterbach dankt den Ermittlern

Lauterbach erklärte nach Bekanntwerden der Razzien auf X (früher Twitter): "Ich danke den Ermittlern, denen ich wahrscheinlich mein Leben verdanke."

Unterstützer der Terrorgruppe "Vereinte Patrioten"

Wegen eines geplanten Umsturzes in Deutschland und der beabsichtigten Entführung von Lauterbach sind bereits vier Männer im Alter zwischen 44 und 56 Jahren und eine 76-Jährige vor dem Oberlandesgericht Koblenz angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben oder darin Mitglied gewesen zu sein. Die Gruppe namens "Vereinte Patrioten" soll einen politischen Umsturz und eine neue Verfassung nach dem Vorbild des Deutschen Kaiserreichs 1871 geplant haben.

Die nun Festgenommenen sollen entweder Mitglieder oder Unterstützer dieser Gruppe gewesen sein.

"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 2022 deutschlandweit etwa 23.000 Menschen zu, 2000 mehr als im Vorjahr.

Michael Götschenberg, ARD Berlin, tagesschau, 10.10.2023 11:06 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 10. Oktober 2023 um 12:00 Uhr sowie Inforadio 11.22 Uhr.