Ein Ausschnitt eines Personalausweises der Bundesrepublik Deutschland

Europäischer Gerichtshof Sind Fingerabdrücke im Personalausweis zulässig?

Stand: 21.03.2024 07:40 Uhr

Fingerabdrücke im Personalausweis sind Pflicht. Doch viele halten das für unsicher, unnötig oder unpassend für den Rechtsstaat. Heute entscheidet der Europäische Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit.

Schon 2008 wollte der Chaos Computer Club zeigen, dass Fingerabdrücke nicht unbedingt mehr Sicherheit bedeuten. Aktivisten stellten ein Wasserglas sicher, das der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble benutzt hatte - und ergatterten so seine Fingerabdrücke.

Andere Aktivisten der Organisation Digitalcourage ließen sogar einen Stempel von diesen Fingerabdrücken machen, um zu zeigen, dass sie sich beliebig vervielfältigen ließen.

Abdruck für die Ewigkeit

Rena Tangens von Digitalcourage hält es wegen der langfristigen Gefahren für keine gute Idee, auf Personalausweisen Fingerabdrücke zu speichern: "Einen Fingerabdruck kann ich nicht ändern und ein Fingerabdruck kann von anderen Leuten leicht beschafft werden." Ein Passwort könne man ändern, wenn es kompromittiert sei. Bei biometrischen Daten gehe das nicht.

Behandelt wie ein Verdächtiger?

Der frühere Bürgermeister der hessischen Gemeinde Schlangenbad, Detlev Sieber, sieht das genauso. Der SPD-Politiker hatte einen Personalausweis beantragt, bei dem keine Fingerabdrücke gespeichert werden sollten - aber das zuständige Amt hat das abgelehnt. Denn seit August 2021 müssen in Deutschland alle neuen Personalausweise auch die Fingerabdrücke der betreffenden Person enthalten.

"Fingerabdrücke abgeben müssen fühlt sich für mich so an, wie als Tatverdächtiger für ein Verbrechen behandelt zu werden", sagt Sieber. Das entspreche nicht seinem Verständnis, "wie unser Rechtsstaat arbeiten sollte".

Die Pflicht, die Fingerabdrücke im Personalausweis zu speichern, geht auf EU-Recht zurück. Deswegen hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Sache dem höchsten EU-Gericht, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), in Luxemburg vorgelegt, als Detlev Sieber klagte.

Risiko Hackerangriff

In der mündlichen Verhandlung in Luxemburg vor gut einem Jahr kam auch noch ein anderes Problem zur Sprache: dass die Abdrücke nicht nur auf dem Chip des Personalausweises gespeichert sind, sondern auch bis zu 90 Tagen nach Abnahme bei den Behörden aufbewahrt werden dürfen.

Das sei ein sehr großes Risiko, meint Rena Tangens von Digitalcourage. Denn damit könnten sich Hacker oder ausländische Geheimdienste die Abdrücke besorgen. Es habe viele Fälle in vergangener Zeit gegeben.

2022 seien in Ludwigshafen bei einem Hackerangriff auf die Kreisverwaltung Daten von Personen entwendet worden. Und die seien danach im Darknet veröffentlicht worden. Im Oktober 2023 habe es einen Hackerangriff auf IT-Dienstleister in Nordrhein-Westfalen gegeben - betroffen davon etwa 70 Kommunen in Nordrhein-Westfalen.

Beim Reisepass gab es ein Ja vom EuGH

Was die Fingerabdrücke in Reisepässen angeht, so hat das oberste Gericht der EU schon 2013 entschieden, das sei zulässig. Die Erfassung und Speicherung sei zwar ein Eingriff ins Privatleben, aber vorrangig sei, die illegalen Einreisen von Personen in die EU zu verhindern. Ob der EuGH bei den Personalausweisen ähnlich argumentiert, wird sich heute bei der Verkündung des Urteils zeigen.

Fingerabdrücke für Sicherheit in Europa

Die Generalanwältin, also die Gutachterin, die vorab ihre Meinung abgibt, hatte kein Problem mit dem Speichern von Fingerabdrücken auch in Personalausweisen. Im vereinten Europa könne man auch nur mit Personalausweis reisen, und da dienten die Fingerabdrücke auch einer gewissen Sicherheit.

Gigi Deppe, SWR, tagesschau, 20.03.2024 16:14 Uhr