Mittendrin

Regionale Unterversorgung Wenn im Hospiz kein Platz ist

Stand: 23.03.2023 05:18 Uhr

In stationären Hospizen werden Sterbende bis zuletzt begleitet. Doch in einigen Regionen Deutschlands gibt es zu wenige Plätze. Und dann ist da noch die Personalnot.

Patricia Mollnau streicht Marmelade auf eine Scheibe Toast und schneidet sie in kleine Stücke. Es ist 10 Uhr im Christophorus-Hospiz in Mainz. Im Krankenhaus wäre jetzt Zeit für die Visite, hier bereitet die Pflegekraft gerade das Frühstück für einen älteren Herrn zu, der am Tisch sitzt und die Tageszeitung liest.

Im Hospiz ticken die Uhren anders. "Jeder Gast bestimmt seinen Tagesablauf selbst", erzählt sie. "Einige schlafen bis 12 und frühstücken erst dann, andere wollen gar nichts essen. Wir richten uns nur nach dem Wunsch der Gäste."

Gäste, keine Patienten

Wer hierher ins Hospiz kommt, ist Gast, kein Patient mehr. Denn eine Heilung ihrer Krankheit ist nicht mehr möglich. Nur noch Linderung der Beschwerden durch palliativmedizinische Versorgung mit Medikamenten und andere Behandlungsmethoden.

Wer ins Hospiz einzieht, weiß, dass er bald sterben wird. So wie Claudia Weber. Die 50-Jährige leidet seit vielen Jahren an Krebs, ihre Krankheit schreitet voran. Seit einigen Monaten ist sie bettlägerig, seit wenigen Wochen lebt sie hier im Hospiz, weil eine Versorgung zu Hause nicht mehr möglich war. Die Belastung für ihren Mann und den zwölf Jahre alten Sohn war zu groß.

#mittendrin aus Mainz: Wie Palliativpflegerinnen Menschen auf ihrem letzten Weg begleiten

Lucretia Gather, SWR, tagesthemen, tagesthemen, 22.03.2023 22:15 Uhr

Ein wertvolles Leben bis zuletzt

Pflegerin Patricia Mollnau massiert ihr die Beine, um die Schwellung zu verringern. "Wir wollen den Menschen hier die bestmögliche Lebensqualität bieten", erklärt Mollnau. "Es geht bei uns nämlich nicht nur um das Thema Sterben, sondern vor allem um das Leben - und das soll wertvoll sein, bis zuletzt."

Diese persönliche Zuwendung mache auch ein guter Betreuungsschlüssel möglich, erklärt Mollnau, denn hier kümmere sich jede Pflegekraft um maximal vier Gäste.

Patricia Mollnau

Pflegerin Patricia Mollnau aus dem Christophorus-Hospiz in Mainz.

Acht Betten - viel zu wenig

Das Christophorus-Hospiz in Mainz hat acht Betten. Mehrmals täglich rufen Interessenten an, berichtet die stellvertretende Pflegedienstleiterin Carmen Zimmermann. Nicht nur Privatpersonen und Angehörige, sondern auch Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, die Patienten ins Hospiz verlegen möchten.

"Leider müssen wir die Anrufer sehr häufig vertrösten, denn wir haben einfach zu wenig Kapazitäten", erklärt Zimmermann. Das sei frustrierend, besonders wenn sie die Not der Menschen am anderen Ende der Leitung spüre. Zimmermann verweist die Anrufenden dann an andere Hospize in der Region oder, wenn es dringend ist, an ambulante palliative Dienste.

Blick in ein Wohnzimmer im Christophorus-Hospiz in Mainz.

Blick in ein Wohnzimmer im Christophorus-Hospiz in Mainz.

Etwa 260 stationäre Hospize in Deutschland

Deutschlandweit gibt es nach Angaben des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands (DHPV) etwa 260 stationäre Hospize für Erwachsene und 19 solcher Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Zudem gibt es in Krankenhäusern etwa 340 eigene Palliativstationen, auf denen ebenfalls schwerstkranke Menschen versorgt werden. Hinzu kommen 1500 ambulante Hospizdienste und sogenannte Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV).

Regionale Unterversorgung

Insgesamt sei die Versorgung sterbender Menschen in Deutschland also durchaus gewährleistet, erläutert eine Sprecherin des DHPV. Aber der Bedarf an stationären Hospizplätzen sei in manchen Regionen größer als das Angebot. Vor allem im ländlichen Raum und im Osten gebe es mancherorts eine Unterversorgung.

Für die Versorgungslücke in Mainz und Umgebung ist eine Lösung schon in Sichtweite: In der Nähe der Landeshauptstadt entsteht in Ingelheim ein neues Hospiz, berichtet Markus Hansen, Leiter der Caritas Altenhilfe St. Martin Rheinhessen gGmbH, die als Träger fungiert. Im kommenden Jahr soll es fertig sein und zehn Plätze bieten.

Zu wenig Pflegekräfte

Das sei gut, meint Hansen, bringe aber auch neue Herausforderungen mit sich. Denn schon jetzt sei es schwierig, Menschen für den Pflegeberuf zu motivieren. Der Fachkräftemangel sei hinlänglich bekannt. "Wenn wir jetzt für unser neues Hospiz Pflegekräfte gewinnen wollen, dann ziehen wir sie gleichzeitig aus Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen ab", sagt Hansen.

In einer solchen Situation flächendeckend mehr Hospize zu bauen, sei nicht die Lösung: "Solange wir kein Personal haben, können wir keine neuen Plätze schaffen." Stattdessen müsse die ambulante Hospizversorgung in manchen Regionen gestärkt werden.