
50 Jahre BAföG Ein Meilenstein kommt in die Jahre
Gleiche Bildungschancen für alle, statt studieren nur für Reiche: Vor 50 Jahren trat das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, in Kraft. Einst ein Erfolgsmodell, wird die Förderung aber immer weniger genutzt.
Otis Henkel braucht sich kaum noch Sorgen zu machen. Weniger Sorgen ums Geld jedenfalls. Er studiert im sechsten Semester Politikwissenschaften in Bonn und bekommt monatlich 752 Euro BAföG. Damit konnte er etwa von Zuhause ausziehen. "Das BAföG hat mir mehr Freiheiten gegeben. Ich schätze mich glücklich, einer von denen zu sein, die gefördert werden."
Schwierige Anträge
Aber leicht war der seitenlange BAföG-Antrag nicht für Henkel. Er war froh, dabei Hilfe von Freunden zu haben. "Das ist alles ziemlich schwierig - und dann war doch ein kleiner Fehler drin und ich habe den Antrag wieder zurück geschickt bekommen." So verdoppelte sich die ohnehin lange Bearbeitungszeit noch einmal. "Wer das Geld am Anfang dringend braucht, für den wird es eng", meint Henkel.
Sinkende Zahl von Geförderten
1971 wurde das BAföG eingeführt. Anfangs erhielten es noch eine große Zahl von Studierenden: 47 Prozent waren es im Jahr 1973. Mittlerweile bekommen nur noch elf Prozent der Studierenden die Förderung. Dabei stieg die Zahl der Studentinnen und Studenten von rund zwei Millionen im Jahr 2000 auf jetzt drei Millionen. Die Zahl der Geförderten blieb aber konstant, sagt Marita Jacob, Soziologin an der Universität zu Köln, die die Auswirkungen des BAföGs untersucht.
"Die meisten, die kein BAföG beantragen, geben an, ihre Eltern hätten dafür ein zu hohes Einkommen. Danach nennen die Befragten die Angst vor Verschuldung", so die Forscherin. Denn seit 1974 müssen Studierende, die BAföG bekommen, nach dem Studium Geld zurück zahlen. Mittlerweile ist die Summe auf 10.000 Euro gedeckelt. Der Bund gab im letzten Jahr fast 2,9 Milliarden Euro für die BAföG-Leistungen aus.
Berechtigte wollen keine Förderung
Es könnten mehr Studierende BAföG beantragen - doch viele entscheiden sich dagegen. "20 bis 40 Prozent derjenigen, die berechtigt wären, stellen keinen Antrag", sagt Jacob. "Weil für sie zum Beispiel nur eine Teilförderung in Frage käme. Und weil sie Angst vor den Schulden haben." Wem Unterstützungsmöglichkeiten und das Wissen über BAföG fehle, der habe eben Schwierigkeiten, sich für die Unterstützung zu entscheiden, so die Soziologin. Wichtig sei es, jemanden zu kennen, der auch studiert und seine Erfahrungen weitergibt: "Besonders studierende Geschwister haben einen positiven Effekt."
Den Ersten Mut machen
Zögernde Schülerinnen und Schülern aus Familien ohne Hochschulerfahrung zu informieren und zu einem Studium zu ermutigen - dafür setzt sich die Organisation "ArbeiterKind.de" ein. Mit 6000 Ehrenamtlichen in ganz Deutschland will sie über Studienförderungen wie BAföG oder Stipendien aufklären.
"Darüber wissen selbst Abiturienten nicht immer Bescheid", sagt Pablo Ziller von "ArbeiterKind.de". Es fehle in Arbeitermilieus an Vorbildern und Mutmachern. Dabei sei das BAföG eigentlich ein Meilenstein für die Bildungsgerechtigkeit gewesen und eine Erfolgsgeschichte. Es verfehle auch nicht sein Ziel. "Doch die sinkende Förderquote ist ein Problem", betont Ziller.
Mehr Geld hilft nicht
Viele fordern eine Reform des BAföGs. Auch die verschiedenen Parteien möchten das nach der Wahl angehen, wie sie in ihren Programmen skizzieren. Die Union will die Förderung flexibilisieren und Altersgrenzen durch Höchstgrenzen ersetzen. Die SPD möchte dagegen die Altersgrenzen ganz aufheben und das BAföG besser mit dem Aufstiegs-BAföG, mit dem zum Beispiel die Ausbildung zum Handwerksmeister unterstützt wird, abstimmen und später damit zusammenführen.

Mehr Bearbeiter und kürzere Wartezeiten - Otis Henkel hofft, dass der BAföG-Antrag künftig leichter wird. Bild: WDR
Otis Henkel wünscht sich vor allem mehr Bearbeiter für die Anträge, um die Wartezeiten zu verkürzen. Eine BAföG-Erhöhung allein würde aber auch nicht helfen, betont Soziologin Jacob: Das hätte nur Auswirkungen auf die Leute, die schon BAföG bekommen. Aber deswegen würden nicht mehr Studierende die Förderung in Anspruch nehmen.
Nach 50 Jahren BAföG müssten einige Einstiegshürden beseitigt werden, damit noch mehr Studierende die Freiheit im Studium genießen können - so wie Otis Henkel.