
Zahlen für Deutschland Mehr Opfer weiblicher Genitalverstümmelung
Die Fälle von Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen sind in Deutschland in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Familienministerin Giffey rief dazu auf, diese "furchtbare Menschenrechtsverletzung" anzuzeigen.
Immer mehr Mädchen und Frauen in Deutschland sind von Genitalverstümmelung betroffen. Ihre Zahl sei von rund 50.000 im Jahr 2017 auf aktuell etwa 68.000 gestiegen, sagte die Bundesministerin für Frauen und Familien, Franziska Giffey. Sie stellte die neue Untersuchung zu dem Thema in Berlin vor.
Schätzungsweise seien rund 2800 bis 14.900 Mädchen in Deutschland zudem davon bedroht, an ihren Genitalien verstümmelt zu werden, sagte Giffey. Es handele sich um eine "archaische, furchtbare Menschenrechtsverletzung", die schwerwiegende körperliche und psychische Schäden verursache.
Fadumo Korn, Vorsitzende von "NALA e.V. Bildung statt Beschneidung", überreichte Giffey eine Petition mit rund 125.000 Unterschriften gegen Genitalverstümmelung.
Stärkere Zuwanderung Grund für Zunahme
Grund für die gestiegene Zahl an Fällen sei eine stärkere Zuwanderung aus Herkunftsstaaten, in denen weibliche Genitalverstümmelung praktiziert werde, erklärte Giffey. Die fünf Hauptherkunftsländer der betroffenen Frauen sind demnach Eritrea, Somalia, Indonesien, Ägypten und Nigeria. Bei den bedrohten Mädchen ist es neben den vier afrikanischen Ländern auch der Irak.
Die tatsächlichen Zahlen liegen laut Giffey vermutlich noch höher, da unter anderem Frauen mit deutschem Pass oder ohne gültige Papiere in der Untersuchung nicht erfasst wurden.
Giffey: Hinschauen und anzeigen
Die Ministerin rief dazu auf, mehr hinzuschauen und Fälle anzuzeigen. Zudem müsse es mehr Aufklärungsarbeit geben. Es handele sich um eine Straftat, erläuterte Giffey. Auch die im Ausland vorgenommene Verstümmelung sei in Deutschland strafbar.
Wenn jemand eine solche Handlung im Ausland plane, so Giffey, könne ihm der deutsche Pass entzogen werden. Die Zahl der Verurteilten sei aber bislang gering, weil die Taten meist im Verborgenen passierten, erklärte die Ministerin.
"Unsere Arbeit ist die Prävention", sagte die NALA-Vorsitzende Korn. "Wir stärken Mütter, ihre Kinder zu beschützen", betonte Korn, die als Kind in Somalia selbst Opfer von Genitalverstümmelung geworden war und bleibende Gesundheitsschäden davontrug. "Wir müssen mit den Familien zusammensitzen und Klartext reden."
Grundlagen für die Schätzung
Für die Schätzung zur Zahl der von Genitalverstümmelung bedrohten Minderjährigen ist die Untersuchung von zwei Szenarien ausgegangen: Bei der niedrigen Zahl von 2800 nehmen Zugewanderte bei ihren Kindern keine Verstümmelung mehr vor, bei der hohen Zahl von 14.900 wird die grausame Praxis auch in der zweiten Generation beibehalten.
Weltweit wurden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation mehr als 200 Millionen Frauen und Mädchen einer Genitalverstümmelung unterzogen. Geschätzte drei Millionen Mädchen sind davon bedroht.
Unterstützung erhalten Betroffene von weiblicher Genitalverstümmelung auch über das bundesweite Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" unter der kostenlosen Telefonnummer 08000 - 116 016. Neben den betroffenen Frauen können sich auch Angehörige, Freunde und Menschen aus dem sozialen Umfeld sowie Fachkräfte an das Hilfetelefon wenden. Das barrierefreie, anonyme und mehrsprachige Angebot steht rund um die Uhr zur Verfügung.