
Bundesparteitag der FDP Es kommt etwas in Bewegung
Stand: 28.04.2019 15:48 Uhr
Parteichef Lindner attackierte die Grünen, der FDP-Leitantrag forderte weniger Steuern und Bürokratie. Aber abseits vom Erwartbaren wurde klar: Es kommt etwas in Bewegung bei den Liberalen.
Von Marcel Heberlein, ARD-Hauptstadtstudio
Mehrmals musste man sich bei diesem Parteitag verwundert Augen und Ohren reiben. Denn auf der Bühne fielen Sätze wie dieser: "Ohne engagierte Menschen in den Familien, in den Gemeinden und auch bei kommerziellen Pflegediensten würden wir heute schon einen viel größeren Pflegenotstand haben."
Linda Teuteberg, die neue Generalsekretärin, sorgt bei den Liberalen für einen neuen Sound. Empathisch, nachdenklich, und fast ohne Angriffe auf den politischen Gegner spricht sie. Über eine offene Gesellschaft, über Menschen in Pflegeberufen - und darüber, den Menschen in Ostdeutschland zuzuhören:
"Wir wollen verstehen, warum Wandel und Veränderung für viele nicht nach Verheißung klingen, sondern eher nach der nächsten Sturmflut. Und warum Menschen im Osten gleichermaßen eine sehr hohe Erwartung und eine sehr hohe Skepsis gegenüber politischen Versprechen haben. Denn in der Vergangenheit folgten für viele Menschen darauf Arbeitslosigkeit und Unsicherheit."
Wahl Teutebergs ist ein Zeichen
Mit satten 93 Prozent wird Teuteberg zur neuen Generalsekretärin gewählt - Vorschusslorbeeren. Wie viel eigene Handschrift sie der Partei verpassen kann und will, wie sehr Parteichef Lindner sie lässt - unklar. Dass die 38-Jährige es aber überhaupt so weit nach oben geschafft hat in der FDP, ist an sich schon ein Zeichen von Veränderung.
Teuteberg kommt aus dem Osten, aus Brandenburg. Sonst dominieren die großen Westverbände - und sie ist eine Frau. Damit ist sie in der FDP die Ausnahme. Das muss sich endlich ändern, finden viele. Auch Männer, wie Bayerns Landeschef Daniel Föst: "Wir haben darüber diskutiert, wie kriegen wir mehr Frauen in die Partei? Und wie schaffen wir es, dass diese Frauen auch aktiv werden? Und dann bricht das Rudel los und heult: Quote, Quote, Quote! Und das regt mich auf!"
Mehr Frauen - aber wie?
Stundenlang, leidenschaftlich streiten die Mitglieder über Frauenförderung. Das Ergebnis: Eine starre Quote halten die meisten Liberalen für Teufelszeug. Aber für Nichtstun ist das Problem zu groß. Nun soll jeder Landes- und Kreisverband eigene Ziele bekommen.
Manche müssen mehr Frauen zu Wahlen aufstellen, andere überhaupt erst mal eine Frau gewinnen, die Mitglied werden will. Anreize? Sanktionen? Keine. Druck soll allein dadurch entstehen, dass die Verbände sich regelmäßig für die Ergebnisse rechtfertigen müssen. Es ist ein zögerlicher, ein vorsichtiger erster Schritt hin zu mehr Weiblichkeit in der FDP.
Streit über Frauenanteil in der FDP
tagesschau 20:00 Uhr, 28.04.2019, Michael Stempfle, ARD Berlin
Neue Themenfelder
Auch inhaltlich will die Partei neue Wege gehen. Das erste Mal seit Jahrzehnten diskutiert sie explizit über Politik für Frauen, für Alleinerziehende zum Beispiel. Und sie setzt auf Klimaschutz, will den Grünen bei dem Thema nicht mehr das Feld überlassen.
"Klimapolitik, die heute nur in einer aufgeheizten empathischen, aber vor allem emotionalisierten Debatte darüber geführt wird, ob wir aus dem Diesel aussteigen, ob wir den Verbrennungsmotor verbieten, ob wir fahren verbieten, fliegen verbieten, Fleisch verbieten. Das ist der falsche Ansatz", erklärt Lukas Köhler, der klimapolitische Sprecher.
Wenn es nach der FDP geht, soll CO2 in allen Bereichen der Gesellschaft einen Preis bekommen. Dann soll der Markt bestimmen, wo man am schnellsten und billigsten CO2 einsparen kann. Das Problem: komplex. Die Lösung: mehr Marktwirtschaft. Zumindest in diesem Punkt war die FDP bei diesem Parteitag wieder ganz wohlig bei sich selbst angekommen.
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