FAQ

Kinder als Täter Wie ist die Strafmündigkeit geregelt?

Stand: 10.07.2019 19:12 Uhr

Ab wann werden Kinder strafrechtlich belangt? Welche Regeln gelten für Jugendliche? Fragen und Antworten zur Diskussion über das Alter für Strafmündigkeit.

Von Michael Nordhardt, ARD-Rechtsredaktion

Was bedeutet "Strafmündigkeit"?

Unter "Strafmündigkeit" versteht man den Zeitpunkt im Leben eines Menschen, ab dem er damit rechnen muss, wegen einer Straftat gerichtlich verfolgt zu werden. Die einschlägigen Gesetze - das Strafgesetzbuch (StGB) und des Jugendgerichtsgesetz (JGG) - verwenden den Begriff "Strafmündigkeit" nicht, sondern wählen andere Formulierungen: Das StGB spricht von der "Schuldunfähigkeit des Kindes", das JGG von "strafrechtlicher Verantwortlichkeit" von Jugendlichen.

Wie ist die Strafmündigkeit von Kindern in Deutschland geregelt?

Paragraf 19 StGB lautet:

Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.

Und in Paragraf 1 Abs. 2 JGG steht:

Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt ist.

Bis zum 14. Geburtstag ist man also nach dem Gesetz Kind und kann nicht strafrechtlich belangt werden. Dieser Grundsatz gilt "ohne Wenn und Aber", selbst wenn ein Kind im Einzelfall bei der Tat die erforderliche Reife schon hat.

Welche Gedanken stecken dahinter?

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Kinder noch nicht einsehen können, wenn sie etwas Falsches tun, und dass sie ihr Verhalten auch nicht entsprechend steuern können. Diese Reife traut er erst Jugendlichen zu. Deshalb können Kinder nicht bestraft werden, Jugendliche unter Umständen schon.

In Paragraf 3 JGG heißt es:

Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Ob das so ist, müssen die Gerichte in jedem Einzelfall feststellen.

Hat der Staat also bei Straftaten von Kindern überhaupt keine Handhabe?

Doch. Der Staat kommt an Kinder zwar nicht mit dem Strafrecht heran, die Familiengerichte können aber - auch gegenüber den Eltern - zu verschiedenen Mitteln greifen, um sehr junge Straftäter zu beeinflussen. Dazu gehört zum Beispiel die Anordnung, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen.

Daneben sind auch schwerwiegendere Maßnahmen möglich wie die Entziehung des Sorgerechts und die Unterbringung straffälliger Kinder in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie. Darauf hat auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hingewiesen und der Forderung nach einer Herabsetzung des Alters für die Strafmündigkeit widersprochen.

Strafmündigkeitsalter herabsetzen: Die Forderung gab es doch schon mal?

Ja, solche Bestrebungen gab es immer mal wieder. Die Befürworter argumentieren, die körperliche Reife junger Leute setze eher ein als früher, gleichzeitig sei die sittlich-charakterliche Reife verzögert. Darauf müsse man reagieren.

Kriminologe Christian Pfeiffer hingegen sieht "überhaupt keinen Anlass" für die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters. Pfeiffer ist ehemaliger Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. "Es gibt statistisch keine Bevölkerungsgruppe, bei der Kriminalität so rückläufig ist wie bei Kindern", sagte er im Gespräch mit der ARD-Rechtsredaktion

Wann beginnt in anderen Ländern die Strafmündigkeit?

Während Österreich mit der Strafmündigkeit ähnlich umgeht wie Deutschland, gelten in der Schweiz andere Regeln: Dort unterliegen Kinder ab ihrem zehnten Geburtstag dem Jugendstrafgesetz. Auch in Frankreich sind Kinder mit zehn Jahren strafmündig und können ab 13 Jahren zu Gefängnisstrafen verurteilt werden.

In den Vereinigten Staaten unterscheiden sich die Regelungen über den Beginn der Strafmündigkeit von Bundesstaat zu Bundesstaat.

Welche Regeln gelten für Jugendliche und junge Erwachsene?

Ab dem 14. und bis zum 18. Geburtstag gilt man nach dem Gesetz als Jugendlicher und ist bedingt strafmündig. In diesem Stadium ist man weder pauschal schuldunfähig noch pauschal schuldfähig. Entscheidend ist der Einzelfall. Hält das Jugendgericht den Jugendlichen für reif genug, wendet es immer Jugendstrafrecht an. Es geht dann verstärkt darum, erzieherisch auf den jungen Menschen einzuwirken. Seine Bestrafung tritt in den Hintergrund.

Die volle Strafmündigkeit tritt mit dem 18. Geburtstag ein. Das bedeutet aber nicht, dass die Gerichte ab dann immer automatisch Erwachsenenstrafrecht anwenden. In einer "Karenzzeit" bis zum 21. Geburtstag kann weiterhin Jugendstrafrecht herangezogen werden, wenn eine von zwei Voraussetzungen erfüllt ist: Entweder der junge Mensch war bei der Tat in seiner Entwicklung noch eher Jugendlicher als Erwachsener oder die Tat selbst kann noch als "Jugendverfehlung" gewertet werden.  Ab dem 21. Geburtstag gilt das Erwachsenenstrafrecht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 10. Juli 2019 um 07:03 Uhr.