Rosh Al Husseini

Einwanderung von Fachkräften Der lange Weg zum Arztberuf

Stand: 27.04.2023 10:26 Uhr

Der Bundestag hat am Morgen über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beraten. Bislang sind die Hürden für Einwanderer hoch, auch für ausländische Ärzte - und in den Herkunftsländern sorgen sie für einen "brain drain".

Von Katharina Köll, WDR

Rosh Al Husseini sitzt in der Wohnung seines Freundes Nafes in Krefeld und übt deutsche Grammatik. Der 25-Jährige ist Anfang März über den Libanon nach Deutschland gekommen. Stolz zeigt Rosh einen Ordner voller Zeugnisse und Bescheinigungen. Ein Jahr lange dauerte der gesamte Prozess, vom Antrag bei der Bezirksregierung Münster bis zur Ausstellung des Visums.

Erste Lesung im Bundestag zu Einwanderung ausländischer Fachkräfte

Kerstin Palzer, ARD Berlin, tagesschau, 27.04.2023 12:23 Uhr

Damit ist er seinem Traum, als Arzt in Deutschland zu arbeiten, ein Stück näher gekommen. Schon in den Anfängen seines Medizinstudiums in Syrien vor acht Jahren war dem jungen Mann klar, dass er irgendwann auswandern würde.

Al Husseini blieb im Land

Aber während 2015 und 2016 viele seiner Verwandten und Freunde aus Syrien flohen, blieb Al Husseini im Land und zog für das Studium von Qamischli im Nordostens Syriens nach Damaskus.

"Wäre ich auch schon vorher nach Deutschland gegangen, hätte ich vielleicht nicht studiert", sagt er. Doch das Leben in Syrien wurde durch die Folgen des Krieges und wirtschaftlichen Verfalls immer schwieriger.

Hürden bei der Visavergabe

Al Husseinis legaler Weg nach Deutschland war lang und kompliziert: Syrer und Syrerinnen können ein Visum für Deutschland nur in den Nachbarländern beantragen. Al Husseini musste nach Jordanien: Auf den Termin bei der deutschen Botschaft hat er Monate lang gewartet, nach weiteren drei Monaten war das Visum dann da. Selbst den erforderlichen Deutschtest musste Rosh in Jordanien absolvieren, denn in Syrien gibt es keine offiziellen Teststellen.

Für viele bedeutet das eine finanzielle Hürde. Hinzu kommt: Vor der Einreise nach Deutschland muss man ein sogenanntes Sperrkonto nachweisen. Circa 12.000 Euro, also der jährliche Regelbedarf, müssen bei einer deutschen Bank hinterlegt sein.

"Dafür musste ich mich bei vier Personen verschulden", erzählt der Syrer. Eine große Belastung für ihn, denn zur Zeit hat er kein zusätzliches Einkommen und legt alles was er kann zur Seite.

Konto-Überweisungen von und nach Syrien sind auf Grund von Sanktionen nahezu unmöglich. Er hatte Verwandte in Deutschland, die das für ihn übernahmen und auch die nötigen Unterlagen bei der Bezirksregierung Münster für ihn einreichten.

Syrer an der Spitze der ausländischen Ärzte

2022 kamen 5639 der knapp 67.000 ausländischen Ärzte und Ärztinnen aus Syrien, dies erhebt die Bundesärztekammer in ihrer Statistik vom 31.12.2022. Somit stellen Syrer schon zum vierten Mal in Folge die größte Gruppe der ausländischen Ärzte in Deutschland. Ein Grund: Die hohe Zahl an Geflüchteten aus Syrien in den vergangenen Jahren. Seit 2012 hat sich die Anzahl der berufstätigen Ärzte aus Syrien verfünffacht.

Angesicht des großen Ärztemangels in Deutschland würden zugewanderte Ärztinnen und Ärzte spürbar für Entlastung in der medizinischen Versorgung, insbesondere in Krankenhäusern sorgen, so die Bundesärztekammer auf Anfrage. Inzwischen stammen 15 Prozent aller aktiven Ärztinnen und Ärzte in Deutschland aus dem Ausland.

Christoph Mestmacher, ARD Berlin, zu Lesung im Bundestag über Einwanderung ausländischer Fachkräfte

tagesschau24, 27.04.2023 10:00 Uhr

Was gut für Deutschland sei, führe aber auch zu einem "brain drain" in den Herkunftsländer, heißt es bei der Bundesärztekammer. Gleichzeitig sei der Ärztemangel in Deutschland nicht allein durch Zuwanderung zu lösen. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine Erweiterung der Studienplätze sei auch nötig.

Lange Verfahren für Drittstaatsangehörige

In Syrien würde Al Husseini als Arzt umgerechnet zwischen 25 und 70 Euro monatlich verdienen, nicht genug um seinen Lebensunterhalt zu decken. Wären die Hürden nicht so immens, würden sich bestimmt noch mehr Jungmediziner auswandern, glaubt er.

Denn für Mediziner aus Drittstaaten ist das Verfahren kompliziert. Bei der Visaantragsstellung wird individuell geprüft, ob der Universitätsabschluss als gleichwertig anerkannt werden kann.

Ist das nicht der Fall, bekommen sie die Möglichkeit, in Deutschland innerhalb von zwei Jahren eine Sprachprüfung und eine Kenntnisprüfung, also eine Art Wissenstest, abzulegen. Erst dann können sie eine Approbation beantragen. Al Husseini hat dafür zwei Jahre Zeit: So lange ist seine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland gültig.

Uli Hauck, ARD Berlin, tagesschau, 27.04.2023 10:26 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. April 2023 um 12:00 Uhr.