ARD-ThüringenTrend AfD in Vorwahlumfrage stärkste Kraft
Die Umfragen verheißen nichts Gutes für die rot-rot-grüne Regierungskoalition in Thüringen: Laut ARD-Vorwahlumfrage verlieren alle Parteien deutlich - die Grünen würden gar aus dem Landtag fliegen. Große Gewinner sind AfD und BSW.
Zehn Jahre ist es her, dass Bodo Ramelow die Linke in Thüringen zu einem historischen Ergebnis führte: Mehr als 28 Prozent. Hinter der CDU - einerseits. Und dennoch: Es reichte für die erste Landesregierung unter Führung eines Linken-Ministerpräsidenten. Vor fünf Jahren dann gelang der Linken in Thüringen noch einmal Historisches: Sie verbesserte sich mit Ramelow auf gar 31 Prozent - und schloss erstmals in Deutschland als stärkste Kraft ab.
Schlechte Werte für Koalitionsparteien
2024 ist die Linke nun weit davon entfernt, ein weiteres Kapitel positiver Parteigeschichte zu schreiben. Eine dritte Auflage ihrer Landesregierung mit Grünen und SPD ist nach der repräsentativen ARD-Vorwahlbefragung für Thüringen keine Option.
Wenn schon am Sonntag Landtagswahl wäre, käme die Linke nur noch auf 13 Prozent. Auch ihre beiden Koalitionspartner müssten sich auf Einbußen einstellen. Während die SPD mit 7 Prozent (2019: 8,2 Prozent) weiter im Landtag vertreten wäre, würden die Grünen mit 3 Prozent (2019: 5,2 Prozent) an der Mandatsschwelle scheitern.
30 Prozent würden rechtsextrem wählen
Auf Historisches dürfen laut ARD-Vorwahlumfrage andere hoffen: Stärkste Partei wäre demnach erstmals bei Landtagswahlen in Deutschland die AfD, die in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. Sie würde mit aktuell 30 Prozent (2019: 23,4 Prozent) einen Höchststand erzielen.
Hinter ihr läge die CDU, die mit 23 Prozent etwas besser abschneiden würde als vor fünf Jahren (21,7 Prozent), gefolgt vom Anfang des Jahres gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht, das derzeit mit 17 Prozent rechnen könnte.
Die FDP, 2019 knapp in den Landtag eingezogen (5,0 Prozent), würde an der Mandatsschwelle scheitern. Sie landet in der Sonntagsfrage unterhalb von 3 Prozent, ab denen eine Partei einzeln ausgewiesen wird und kommt zusammen mit allen anderen Parteien auf einen Anteil von 7 Prozent.
Repräsentative Umfrage, aber keine Prognose
Bei dieser Umfrage handelt es sich ausdrücklich um keine Prognose, sondern um die politische Stimmung in der laufenden Woche. Die Sonntagsfrage misst aktuelle Wahlneigungen und nicht tatsächliches Wahlverhalten.
Viele Wählerinnen und Wähler legen sich kurzfristig vor einer Wahl fest, deshalb hat die letzte Phase des Wahlkampfs mit der gezielten Ansprache von unentschlossenen und taktischen Wählerinnen und Wählern große Bedeutung.
Unzufrieden mit aktueller Regierung
Zehn Tage vor der Landtagswahl zeigt sich in Thüringen eine mehrheitliche Wechselstimmung: Jeder Vierte (24 Prozent) findet, die Linke sollte weiterhin die Regierung führen. Zwei Drittel der Wahlberechtigten in Thüringen (68 Prozent) sind indes der Meinung, das sollte künftig eine andere Partei tun.
Die derzeitige rot-grün-rote Minderheitsregierung genießt im bundesweiten Vergleich ein eher geringes Ansehen bei den Wahlberechtigten. Etwa vier von zehn Thüringern (39 Prozent) sind mit der Regierungsarbeit zufrieden, eine Mehrheit von 57 Prozent ist damit unzufrieden.
Auch Regierungschef Bodo Ramelow genießt weniger Rückhalt als noch vor fünf Jahren. Damals sagten 70 Prozent, er sei ein guter Ministerpräsident. Aktuell sagt das noch jeder Zweite (50 Prozent). Im bundesweiten Vergleich liegt er damit unmittelbar vor einer Landtagswahl im unteren Mittelfeld. Im Vergleich zu den aktuellen Spitzenkandidaten der anderen Parteien in Thüringen steht er indes gut da.
Höcke unbeliebt als möglicher Ministerpräsident
Dem CDU-Herausforderer Mario Voigt traut knapp jeder Vierte (23 Prozent) zu, ein guter Ministerpräsident zu sein; 44 Prozent glauben das nicht. Unter den eigenen Anhängern erhält er von zwei Dritteln (66 Prozent) Zuspruch. Mehrheitlich abgelehnt wird er von Anhängern der AfD (65 Prozent) und der Linken (58 Prozent). Unter SPD- und BSW-Anhängern gilt: Jeweils jeder Zweite traut Voigt nicht zu, ein guter Ministerpräsident zu sein; gut jeder Sechste sieht in ihm sehr wohl dieses Potenzial.
Vom AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke glaubt jeder sechste Wahlberechtigte in Thüringen (17 Prozent), er wäre ein guter Ministerpräsident; zwei Drittel (67 Prozent) glauben, er wäre das nicht. Sechs von zehn AfD-Anhängern (61 Prozent) sehen in ihm dieses Potenzial. Mehrheitlich abgelehnt wird er von Anhängern der Linken (95 Prozent), der CDU (92 Prozent), der SPD (88 Prozent) sowie des BSW (85 Prozent). Alle anderen Parteien haben eine Regierungszusammenarbeit mit der AfD im Vorfeld ausgeschlossen.
Schwierige Regierungsbildung droht
Auch der BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf traut jeder Sechste zu, eine gute Ministerpräsidentin zu sein; vier von zehn Wahlberechtigten (39 Prozent) tun das nicht. In ihrem Fall traut sich fast jeder zweite Thüringer (45 Prozent) kein Urteil zu. Selbst unter den eigenen Parteianhängern erhält sie keine mehrheitliche Zustimmung: 45 Prozent hielten sie für eine gute Ministerpräsidentin, jeder Fünfte (19 Prozent) hielte sie für keine gute Ministerpräsidentin und gut jeder dritte BSW-Anhänger traut sich kein Urteil zu.
In jedem Fall zeichnet sich in Thüringen eine schwierige Regierungsbildung ab. Eine Mehrheit im Landtag ließe sich laut aktueller Sonntagsfrage nur mit einem Drei-Parteien-Bündnis bilden, an dem auch das BSW beteiligt wäre.
Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz hatte eine Koalition mit dem BSW auf Bundesebene im Juni abgelehnt, auf Landesebene aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Klar ist aber: Bis zum 1. September kann noch viel passieren. Nur für sieben von zehn Wahlberechtigten steht die Wahlentscheidung nach eigenen Angaben bereits fest.
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung
Erhebungszeitraum: 19. bis 21. August 2024
Fallzahl: 1.551 Befragte (910 Telefoninterviews und 641 Online-Interviews)
Gewichtung: Nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Sonntagsfrage mit separater Gewichtung
Schwankungsbreite:
2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: Infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.