DeutschlandTrend

ARD-DeutschlandTrend Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht

Stand: 04.04.2024 18:00 Uhr

Eine Mehrheit der Deutschen sieht laut ARD-DeutschlandTrend Frieden und Sicherheit in Europa bedroht. Die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO wird weiterhin positiv bewertet - der Blick auf die EU ist differenzierter.

Eine deutliche Mehrheit (67 Prozent) der Menschen in Deutschland sieht aktuell Frieden und Sicherheit in Europa sehr stark oder stark bedroht. Zugleich hat sich die Zahl der Unbesorgten laut ARD-DeutschlandTrend in den vergangenen fünf Jahren halbiert: 2019 - damals nach gut zwei Jahrzehnten ohne größere Kriegssorgen - waren es noch 60 Prozent. Jetzt, gut zwei Jahre nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, sind es gerade noch 30 Prozent.

Claudia Müller, WDR, mit dem DeutschlandTrend zum Sicherheitsempfinden und der NATO

tagesthemen, 04.04.2024 22:15 Uhr

Dementsprechend große Zustimmung finden die internationalen Bündnisse, in die Deutschland eingebettet ist. Die NATO, die an diesem Donnerstag ihren 75. Geburtstag feiert, erachten 82 Prozent der Menschen als wichtig, um den Frieden in Europa zu sichern.

Seit 15 Jahren fragt der ARD-DeutschlandTrend nach der Zustimmung zur NATO. In all den Jahren lag sie immer oberhalb der 80 Prozent - und sie ist breit in der Gesellschaft verankert, sowohl im Westen als auch im Osten, über alle Parteianhänger, Alters- und Einkommensgruppen hinweg. Für 69 Prozent der Befragten ist es im europäischen Interesse, ein gemeinsames Bündnis mit den USA zu bewahren. Aktuell halten lediglich neun Prozent die NATO für überflüssig und plädieren dafür sie aufzulösen.

Am skeptischsten gegenüber dem Militärbündnis äußern sich die Parteianhänger des Bündnis Sarah Wagenknecht und der AfD: Jeweils 23 Prozent dieser Anhängerschaft wollen eine Auflösung der NATO, da sie für überflüssig erachtet wird.

Große Zustimmung zu EU-Armee

Auch der Europäischen Union wird von der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ein Anteil an der Friedenssicherung zugestanden: Durch die EU lebe es sich in Europa sicherer, meinen 69 Prozent. Die Anhänger der Grünen (93 Prozent), SPD (87) und Union (78) sehen die EU dabei am ehesten als Friedensgarant, während Anhänger von AfD (42) und BSW (41) die Rolle der EU zurückhaltender bewerten.

Die Frage, ob die EU-Staaten auch in der Verteidigungspolitik enger zusammenarbeiten oder gar eine gemeinsame Armee stellen sollten, wird schon seit einigen Jahren in Brüssel und den Mitgliedstaaten diskutiert. Durch den Krieg in der Ukraine hat sie eine neue Dringlichkeit bekommen. Weiter befeuert wird sie durch die Aussicht auf eine mögliche weitere Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident, denn dieser hatte im Vorwahlkampf den russischen Präsidenten indirekt dazu aufgefordert, diejenigen NATO-Staaten anzugreifen, die weniger als die vereinbarten zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben.

Für eine gemeinsame Armee der EU-Staaten sprechen sich in der aktuellen Situation 59 Prozent aus - ein Plus von sechs Prozentpunkten im Vergleich zu Juni 2023, als auch eine mögliche Wiederwahl Trumps noch in weiterer Ferne war.

EU-Mitgliedschaft: positiver als 2023, negativer als 2019

Der Blick der Befragten auf die Europäische Union insgesamt ist differenzierter: 35 Prozent sehen aktuell eher Vorteile in der Mitgliedschaft (+9 im Vergleich zu Juni 2023), 23 Prozent sehen eher Nachteile (-4) und 36 Prozent meinen, dass sich Vor- und Nachteile die Waage halten (-5). Damit blicken die Deutschen aktuell zwar positiver auf eine Mitgliedschaft in der EU als noch im Juni 2023, aber deutlich kritischer als etwa im Vorfeld der Europawahl 2019. Damals sah die Hälfte der Befragten eher Vorteile in einer EU-Mitgliedschaft Deutschlands und nur zwölf Prozent sahen eher Nachteile.

In dieser Zeit machte der damalige US-Präsident Trump beinahe täglich Schlagzeilen und trug zu Verunsicherung auch in Deutschland bei. Die Briten standen kurz vor ihrem Austritt aus der EU - eine Phase, in der die Deutschen eine vergleichsweise stabile EU offenbar besonders schätzten. Auch die konjunkturelle Lage war vor fünf Jahren in Deutschland besser als heute, was sich ebenfalls im Stimmungsbild niederschlägt. Im Mai 2019 meinten 78 Prozent der Befragten, die EU-Mitgliedschaft sorge dafür, dass es Deutschland wirtschaftlich gut geht. Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend geben das immerhin noch 60 Prozent an.

Wichtigste Probleme: Flucht, Ukraine, Wirtschaft

In der Problemwahrnehmung der Deutschen spielen internationale Konflikte weiter eine große Rolle. Auf die Frage nach den wichtigsten politischen Problemen, um die sich die deutsche Politik vordringlich kümmern muss, wird der Ukraine-Krieg an zweiter Stelle genannt - wieder deutlich häufiger als bei der bislang letzten Abfrage im September 2023.

Ganz oben aber steht der Themenbereich Flucht/Migration - für jeden Vierten eines der wichtigsten Probleme. Die Wirtschaft - im September noch an erster Stelle genannt - hat in der Problemwahrnehmung der Deutschen etwas an Bedeutung verloren und rangiert an dritter Stelle. Dahinter ist auch das Thema soziale Ungerechtigkeit den Deutschen wichtig, der Bereich Klimaschutz ist in der Prioritätenliste auf Platz fünf abgerutscht.

Rente: Sorgen bei Jüngeren, Frauen und Ostdeutschen

Bei der Absicherung für das Alter zeigen sich große Unterschiede in der Bevölkerung. Je jünger die Befragten, desto größer die Sorgen: Bei den 18- bis 34-Jährigen fühlen sich drei Viertel (74 Prozent) nicht ausreichend abgesichert, bei den Über-65-Jährigen hingegen halten sich zwei Drittel (67 Prozent) für ausreichend abgesichert. Und: Während sich jeder zweite Mann (50 Prozent) als ausreichend abgesichert für das Rentenalter bezeichnet, glauben das unter den Frauen nur 38 Prozent von sich. Im Westen sehen sich 46 Prozent ausreichend abgesichert, während dies im Osten nur 36 Prozent von sich sagen.

Zur Finanzierung der gesetzlichen Rente in der Zukunft werden aktuell verschiedene Maßnahmen diskutiert. Jeder Zweite (50 Prozent) würde es unterstützen, wenn staatliche Gelder für die Finanzierung der Rente an den Kapitalmärkten angelegt werden, wie es ein Konzept der Bundesregierung vorsieht. 30 Prozent lehnen das ab. Eine schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters bei steigender Lebenserwartung, wie es unter anderem die CDU zuletzt in die Diskussion gebracht hatte, wird hingegen mehrheitlich abgelehnt (69 Prozent).

Union in der Sonntagsfrage klar vor der AfD

Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD aktuell auf 15 Prozent (-1 im Vergleich zu März). Die Union klettert gegenüber dem Vormonat um einen Prozentpunkt und wäre mit 30 Prozent weiterhin klar stärkste Kraft. Die Grünen verbessern sich um einen Punkt auf 15 Prozent, die FDP käme auf vier Prozent (-1) und wäre wohl nicht im Bundestag vertreten.

Die AfD verschlechtert sich leicht auf 18 Prozent (-1), wäre damit aber weiterhin zweitstärkste Partei. Die Linke würde auf drei Prozent (+/-0) kommen und läge damit wie die Freien Wähler (drei Prozent) unterhalb der Mandatsschwelle. Die neu gegründete Partei Bündnis Sahra Wagenknecht käme derzeit auf fünf Prozent (-1). Alle übrigen Parteien kämen zusammen derzeit auf sieben Prozent, darunter keine weitere Partei mit einem Stimmenanteil von mindestens drei Prozent.

Untersuchungsanlage

Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 02. bis 03. April 2024
Fallzahl: 1.304 Befragte (777 Telefoninterviews und 527 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap


Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.

Markus Sambale, ARD Berlin, tagesschau, 04.04.2024 18:38 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 04. April 2024 um 18:00 Uhr.