
CDU-Vorsitz Coming out auf der Zielgeraden
Stand: 05.12.2018 10:49 Uhr
Die Schwergewichte in der CDU hielten sich im Rennen um die Merkel-Nachfolge bislang zurück mit Empfehlungen und persönlichen Favoriten. Doch in Sichtweite des Parteitags ändert sich das. Der Fraktionschef denkt schon weiter.
Die Werbetour ist gelaufen, das CDU-Kandidatenrennen ist auf der Zielgeraden. Am Freitag beenden 1001 Delegierte die 18-jährige Ära Merkel und wählen - ja, wen? In den Umfragen liegt Annegret Kramp-Karrenbauer vorn - vor Friedrich Merz und Jens Spahn. Der Personalwechsel auf der CDU-Chefposition ist auch eine Richtungsentscheidung - und auch eine Vorentscheidung für den nächsten Kanzlerkandidaten. Kurz: Es steht viel auf dem Spiel.
Die Schwergewichte der Partei - also die Männer und Frauen mit Namen und Einfluss - hielten sich die vergangenen Wochen öffentlich bedeckt, was ihre persönlichen Favoriten angeht. Man wolle die Wahl der Delegierten nicht beeinflussen, so der Tenor. Hinter den Kulissen dürften die Netzwerke aber ordentlich gewerkelt haben.
Für Schäuble ist Merz der Beste
Insofern ist es schon etwas überraschend, wenn Wolfgang Schäuble in einem Interview öffentlich Position für Merz bezieht. Man darf unterstellen, dass der Politikprofi sehr genau wusste, welche Wellen seine Worte schlagen werden. Aber offenbar war Schäuble der Ansicht, dass Merz den Anschub so kurz vor dem Parteitag gebrauchen könne.
Dass Schäubles Herz für Merz schlägt und er den Politikrückkehrer gern als Merkel-Nachfolger sähe, ist kein Geheimnis. Er soll dessen Kandidatur auch mit vorbereitet und befördert haben. Dies aber in einem großangelegten FAZ-Interview wenige Tage vor dem Parteitag auch klipp und klar kundzutun, ist etwas anderes. "Es wäre das Beste für das Land, wenn Friedrich Merz eine Mehrheit auf dem Parteitag erhielte", sagte Schäuble. Und eine Begründung schickt der Bundestagspräsident auch gleich hinterher: "Das würde es erleichtern, wieder zu einer Integration der politischen Kräfte zur Mitte hin zu kommen und unser System zu stabilisieren. Die politischen Ränder würden wieder schwächer."
Alte Rechnungen?
Schäuble und Merz eint ein schwieriges Verhältnis zu Angela Merkel. Die heutige Kanzlerin und CDU-Chefin hatte Schäuble im Frühjahr 2000 an der CDU-Spitze abgelöst, nach dessen Fehlverhalten in der Parteispendenaffäre. Merz wiederum war 2002 von Merkel von der Spitze der Unionsfraktion verdrängt worden. Es geht in diesen Tagen daher auch um persönliche Verletzungen und alte Rechnungen.
An der Loyalität von Merz zu Kanzlerin Merkel hat Schäuble jedoch keinen Zweifel. "Ich habe die Entscheidung getroffen, loyal zu Angela Merkel zu stehen. Und Friedrich Merz wird das auch", sagte der CDU-Politiker kürzlich dem "Tagesspiegel". Merkel hatte Ende Oktober angekündigt, zwar den CDU-Chefposten aufzugeben, nicht aber den Kanzlerjob. Sollte Merz neuer CDU-Vorsitzender werden, zweifeln Beobachter, ob Merkel und ihre Regierung wirklich bis zum Ende der Legislatur durchhalten können.
Oettinger wählt Merz
Schäuble gehört zweifellos zu den mächtigste Unterstützern von Merz. Schäubles baden-württembergischer Parteifreund Günther Oettinger hatte sich schon vor Wochen festgelegt - und erneuerte nun in Sichtweite des Parteitags nochmal seine Position. "Ich werde auf dem Parteitag Friedrich Merz wählen", sagte der 65-jährige frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". Im Deutschlandfunk sprach er sogar schon von der Kanzlerschaft: Er traue Merz von den drei aussichtsreichen Kandidaten aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen und seiner speziellen Kompetenzen "am ehesten" das Amt zu, sagte Oettinger. Ob er "auch Kanzler kann", könne er dann beweisen.
Mitbewerberin Kramp-Karrenbauer reagierte gelassen auf die jüngsten öffentlichen Positionierungen für Merz. Schäubles Festlegung sei "nicht verwunderlich, weil es sich schon länger angedeutet hat", sagte sie im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Dass er das jetzt öffentlich mache, sei sein gutes Recht, das er in Anspruch nehme wie andere auch in andere Richtungen. Auf die Frage, ob Schäuble damit die Partei spalte, sagte sie: "Das will ich ihm überhaupt nicht unterstellen, aber wenn man heute in die Kommentarlage schaut, dann ist das mindestens ein Eindruck, der nach außen entstanden ist."
Vor dem Parteitag: Kampf um künftigen CDU-Vorsitz
tagesschau 20:00 Uhr, 05.12.2018, Tom Schneider, ARD Berlin
Günther für Kramp-Karrenbauer
Doch auch die Unterstützer Kramp-Karrenbauers kommen zunehmend aus der Deckung. Der Chef des Arbeitnehmerflügels CDA, Karl-Josef Laumann, sowie der Vorsitzende der kommunalpolitischen Vereinigung (KPV), Christian Haase, stellten sich hinter die frühere saarländische Ministerpräsidentin als Nachfolgerin von Angela Merkel an der CDU-Spitze.
Auch Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther gab seine Zurückhaltung auf: Er werde Kramp-Karrenbauer wählen und für sie werben, sagte Günther. "Sie hat ihren Job als Generalsekretärin ausgesprochen gut gemacht." Die CDU dürfe sich nicht auf einen kleinen Markenkern beschränken, sondern müsse eine breit aufgestellte Volkspartei bleiben. "Dafür bietet Annegret Kramp-Karrenbauer aus meiner Sicht die beste Gewähr." Die Saarländerin gilt auch als Merkels Favoritin, doch öffentlich hält sich die Noch-CDU-Chefin aus dem Rennen um ihre Nachfolge raus. Wohl auch aus guten Gründen.
Die CDU will "das Feuer bewahren"
Es läuft wohl auf einen Zweikampf zwischen Merz und Kramp-Karrenbauer hinaus, Jens Spahn werden nur Außenseiterchancen eingeräumt. Spannend ist bei der CDU aber nicht nur die Wahl am Freitag, sondern auch die Zeit danach. Der parteiinterne Wahlkampf der vergangenen Wochen hat nach den langen Merkel-Jahren viele Erwartungen geweckt, auch an Diskussionskultur und Mitgliederbeteiligung. "Dieses Feuer müssen wir bewahren", sagte Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Bei den Regionalkonferenzen habe sich gezeigt, "dass sich die Mitglieder durch diese Art von Veranstaltungen mehr wertgeschätzt fühlen. Sie wollen einfach mehr einbezogen werden", sagte Brinkhaus. Konkret müsse die CDU auch mehr Frauen, junge Menschen mit Leute mit Migrationshintergrund ansprechen und als Mitglieder gewinnen.
Schäuble spricht sich für Merz als CDU-Chef aus
Alfred Schmit, ARD Berlin
05.12.2018 09:58 Uhr
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