
Bundestag zum Konjunkturpaket Von Schrotflinten und Gießkannen
Stand: 19.06.2020 13:18 Uhr
Mehr Hilfen für Bedürftige, eine dauerhafte Steuersenkung und weniger Schulden - die Opposition hat im Bundestag Nachbesserungen am Konjunkturpaket gefordert. Es lag sogar ein Hauch von Wahlkampf in der Luft.
Von Sabine Müller, ARD-Hauptstadtstudio
Es dauert, bis die Debatte in Schwung kommt. Der Eröffnungsredner, Finanzminister Olaf Scholz, rattert seine Lobeshymne auf das Konjunkturpaket so routiniert herunter, dass sich selbst in den Reihen der Koalition viele lieber unterhalten als zuzuhören. Mehrwertsteuersenkung, Kinderbonus, Milliarden für die Kommunen - Scholz lobt Hilfe in der Breite und Hilfe für spezielle Gruppen: "Alle kriegen eine Unterstützung und ich denke, das ist eine gute Entscheidung."
Ja, sagt der Finanzminister, die Gesamtneuverschuldung für dieses Jahr sei sehr hoch. "218,5 Milliarden Euro, das ist nicht wenig. Ich habe nicht nur großes Verständnis dafür, wenn dem einen oder anderen dabei mulmig wird, ich bin auch froh darüber." Denn die Mulmigkeit helfe, Maß und Mitte zu wahren.
Die Opposition wiederspricht: Von Maß und Mitte könne oft keine Rede sein und längst nicht alle bekämen Unterstützung. "Für die Ärmsten gibt's in dieser Krise noch nicht einmal einen temporären Aufschlag auf Hartz IV, für Familien gibt es einen einmaligen Bonus, aber kein dauerhaftes Corona-Elterngeld und die Soloselbstständigen, die haben sie wieder vergessen", kritisiert Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.
Bundestag debattiert über Konjunkturpaket
tagesschau 20:00 Uhr, 19.06.2020, Tom Schneider, ARD Berlin
Befristete Steuersenkung in der Kritik
Die Befristung der Mehrwertsteuersenkung steht ebenfalls in der Kritik. "Wenn man Mehrwertsteuern nach einem halben Jahr wieder erhöht, wird das eine dicke Bremsspur mitten in der Corona-Krise geben", sagt Fabio De Masi von der Linkspartei. Wenn man die Mehrwertsteuern senke, dann müsse man es dauerhaft machen.
Falsch, kontert SPD-Finanzpolitiker Lothar Binding. "Was wir machen ist ein Impuls. Und ein Impuls heißt: Wenn ein Wagen stehen geblieben ist, dann gebe ich ihm einen Schubs". Nach dem Masseerhaltungsgesetz - Masse mal Geschwindigkeit - rolle der Wagen dann wieder. Da grinst Scholz amüsiert.
GroKo verteidigt Gießkannenprinzip
Grüne, Linke und FDP finden es grundsätzlich okay, dass in dieser Krise viel Geld ausgegeben wird, aber bitte anders, fordern sie. Otto Fricke, der haushaltspolitische Sprecher der FDP, kritisiert das Konjunkturpaket als nicht zielgenau: "Sie nehmen eine große Schrotflinte, es knallt ganz laut, aber da, wo es treffen soll, kommt wenig bis gar nichts an."
Egal ob man es Schrotflinte nennt oder Geld mit der Gießkanne verteilen - Unions-Fraktionsvize Andreas Jung wehrt sich gegen diesen Vorwurf. Bürger und Branchen seien von der Corona-Pandemie in der Breite betroffen, deshalb brauche es auch eine breite Antwort: "Nennen sie es Gießkanne - wir sagen: Wir wollen keine Landschaften, keine Gärten vertrocknen lassen. Wir wollen, dass Betriebe und Menschen flüssig sind, damit investiert werden kann, damit es wieder vorangehen kann." Deshalb sei es ein Programm für alle Bürger und alle Betriebe."
Ein Hauch von Wahlkampf
Die AfD wirft der Regierung vor, die Corona-Gefahr aufzubauschen, Land und Wirtschaft mit harten Einschränkungen ohne Not in die aktuelle Lage gebracht zu haben. Birgit Malsack-Winkemann meint, "dass der deutsche Steuerzahler wieder einmal mit Unsummen für etwas gemolken wird, was keiner braucht."
Was auffällt: Obwohl die nächste Bundestagswahl noch über ein Jahr hin ist, weht schon ein Hauch von Wahlkampf durchs Parlament. Finanzminister Scholz, so der Vorwurf der FDP, achte überhaupt nicht darauf, nur so viele Schulden aufzunehmen wie unbedingt nötig, sondern er baue die Rücklagen im Ministerium aus. Die FDP vermutet, er wolle wohl Geld für Wählergeschenke haben, falls er Kanzlerkandidat der SPD werde. Die Opposition verspricht, alles zu tun, damit das Konjunkturpaket auf dem Weg durch den Bundestag noch nachgebessert wird.
Bundestag debattiert über das Konjunkturpaket
Sabine Müller, ARD Berlin
19.06.2020 12:26 Uhr
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