Interview

ARD-Hauptstadtstudio-Leiter Deppendorf im Interview Unbehagen, Unversöhnlichkeit und viel Mineralwasser

Stand: 01.07.2010 13:33 Uhr

Mehr als neun Stunden, drei Urnengänge: Die schwierige Wahl des Bundespräsidenten hat gezeigt, dass sich die Konflikte in der schwarz-gelben Koalition bis in die Grundfesten ausgebreitet haben: davon ist Ulrich Deppendorf überzeugt. Mit tagesschau.de sprach der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios auch über die Unversöhnlichkeit der Opposition und seinen Sendemarathon.

tagesschau.de: Ulrich Deppendorf, in welchem Moment war Ihnen klar, dass es bei der Präsidentenwahl doch spät werden kann?

Ulrich Deppendorf: Als ich das Ergebnis des ersten Wahlgangs bekam, dass 44 Stimmen von Schwarz-Gelb nicht an Herrn Wulff gegangen sind, da war mir klar, es wird länger dauern. Und dass es nicht nur ein kleiner Denkzettel für Merkel ist, sondern an die Grundfesten geht.

tagesschau.de: Sie haben gestern über neun Stunden durchgesendet, wie war das zu schaffen?

Ulrich Deppendorf: Mit einem guten Team: Jeder von uns, der da gearbeitet hat - ob vor oder hinter der Kamera - war gefordert und die Kollegen haben das ganz, ganz toll gemacht. Sie brauchen Leute hinter der Kamera, die ruhig bleiben können und Bescheid sagen, was jetzt wieder ansteht. Mit Tim Herden, dem Chef vom Dienst und Lutz Braune, dem Regisseur, haben wir da zwei tolle Leute gehabt. Und zwischendurch gibt es viel Kaffee und viel Mineralwasser.

tagesschau.de: Macht so ein Spontan-Marathon auch Spaß?

Deppendorf: Sehr - das ist eigentlich das Beste, was einem passieren kann: So eine Sendung aus dem Hut zu zaubern! Allerdings muss ich sagen: Wir hatten uns organisatorisch auf drei mögliche Wahlgänge vorbereitet, hatten auch Stücke eingeplant und überlegt, wo wir unsere Leute positionieren, um Gesprächspartner zu bekommen. Aber das muss dann auch alles zusammenspielen in dem Moment - und das hat es getan. Das macht schon Spaß. Man merkt gar nicht mehr, dass es schon so lange dauert - abends zu Hause war ich doch ein bisschen fertig.

"Historischer Moment": Lafontaine redet mit SPD

tagesschau.de: Was war für Sie als Journalist die interessanteste Erkenntnis am gestrigen Tag?

Deppendorf: Mir ist schon aufgefallen, wie tief das Unbehagen in der Unionsfraktion und bei den Wahlmännern und Wahlfrauen der Union ist, wie das Ganze behandelt worden ist. Und das zweite war, wie unversöhnlich das rot-grüne Lager und Linkspartei sind. Diese Szene gestern bei der Pressekonferenz von Gregor Gysi und Werner Schulz von den Grünen, der ihn hinter den Journalisten stehend verbal angriff: Das hat es noch nie gegeben, dass bei einem Statement eines Fraktionsvorsitzenden oder eines hochrangigen Parteimenschen im Deutschen Bundestag einer von der anderen politischen Seite dazwischen grätscht. Da hat man gesehen, wie tief die Gräben zwischen den beiden Parteien sind.

Auf der anderen Seite muss man sagen: Zum ersten Mal haben sich Oskar Lafontaine und die Parteispitze der SPD wieder getroffen. Das ist gestern ein bisschen untergegangen. Man hat gesehen, wie schwierig dieses Verhältnis ist. Das war sicherlich ein weiterer interessanter Aspekt, der vielleicht auch in so einer Begegnung zwischen Lafontaine und SPD-Spitze als "historisch" zu bezeichnen ist.

tagesschau.de: Sie haben in der ARD einige Minuten vor der offizieller Bekanntgabe des endgültigen Ergebnisses den Wahlausgang bekannt gegeben. Wie kam das?

Deppendorf: Das kann ich Ihnen nicht sagen, das werde ich Ihnen nicht sagen. Wir würden sowas aber nicht sagen, wenn wir nicht verlässliche Quellen hätten.

tagesschau.de: Bekamen Sie dafür Kritik?

Deppendorf: Wir haben es ja auch mit aller Vorsicht gesagt, bisher ist keine Kritik an mich herangetragen worden.

Die Fragen stellte Corinna Emundts, tagesschau.de