Der Eingang des BKA

BKA-Gesetz vor Verfassungsgericht Terrorabwehr contra Bürgerrechte

Stand: 07.07.2015 15:34 Uhr

Belauschen, bespitzeln, überwachen: Um Terroranschläge zu verhindern, hat das Bundeskriminalamt weitreichende Befugnisse. Kritiker sehen darin massive Eingriffe in die Bürgerrechte. Gestern hat die Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht begonnen.

Von Gigi Deppe, ARD-Rechtsredaktion Karlsruhe

Für das Verfassungsgericht in Karlsruhe ist es ein großes und wichtiges Verfahren. Das Votum, also das Papier, das die Grundlage für die Beratung der Richterinnen und Richter ist, war mit über 700 Seiten ungewöhnlich umfangreich. Beschwerdeführer sind Abgeordnete der Grünen, ein Journalist und ein Arzt. Und wieder einmal die früheren Minister Gerhart Baum und Burkhard Hirsch, die beiden Juristen, die mit anderen Klagen schon den Großen Lauschangriff, das Luftsicherheitsgesetz und die Vorratsdatenspeicherung jedenfalls in Teilen zu Fall brachten.

Beschwerdeführer sehen viele Angriffspunkte

Aus ihrer Sicht gibt es bei dem BKA-Gesetz, das seit 2009 gilt, viele Angriffspunkte. Sie stört vor allem, dass das Gesetz dem Bundeskrimininalamt so viele Überwachungsmöglichkeiten gibt. Langfristige Observationen gingen nach dem BKA-Gesetz ohne richterliche Ermächtigung, kritisiert Hirsch. Wenn aber jemand eine Straftat begangen habe, dann müsse ein Richter eine langfristige Observation erlauben. "Wo ist der Sinn dieser Bestimmung? Wieso kann ein Bürger, der überhaupt nichts getan hat, langfristig observiert werden ohne richterliche Entscheidung?"

Dabei sei vieles im Gesetz zu unklar formuliert. Betroffene wüssten oft nicht, wie weit die Überwachungsmöglichkeiten reichen. Bürgerrechte würden durch Online-Überwachung massiv eingeschränkt und Gespräche mit Vertrauenspersonen wie Ärzten und Anwälten nicht mehr geschützt, so die Kritik der Kläger. Baum beschreibt ein typisches Problem: "Sie sind nicht mehr sicher, wenn Sie zu einem Psychiater gehen, dass diese Angaben, die Sie dort über Ihr Privatleben, über Ihre Sorgen machen, nicht eines Tages bei der Polizei landen. Das ist ein Hauptangriffspunkt von unserer Seite."

Innenminister de Maizière verteidigt BKA-Gesetz

Wie erwartet verteidigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière das Gesetz. Er beschrieb vor Gericht, wie die islamistische Terrorgefahr seit Inkrafttreten des Gesetzes 2009 zugenommen habe, und dass die neuen Überwachungsmöglichkeiten dringend gebraucht würden. "Das war zum Teil Glück, das war zum Teil Hinweisen ausländischer Nachrichtendienste zu verdanken. Es war aber auch das neue BKA-Gesetz, das die Beamten des BKA in den Stand gesetzt hat, entsprechende Ermittlungen aufzunehmen", sagte de Maizière.

Stichwort

Nach Angaben der Sicherheitsbehörden ist Deutschland seit dem Jahr 2000 insgesamt zwölf Terroranschlägen mit islamistischem Hintergrund entgangen. Die geplanten Terrorakte seien entweder misslungen oder vereitelt worden, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, sprach von 1500 "Gefährdungshinweisen" alleine in den vergangenen sieben Jahren.

Vor Verabschiedung des BKA-Gesetzes waren 2006 im Kölner Hauptbahnhof zwei nicht funktionsfähige Kofferbomben entdeckt worden, ein Jahr darauf flogen die Anschlagspläne der sogenannten "Sauerland-Gruppe" auf - die bislang vielleicht spektakulärsten Fälle in Deutschland. Die Täter wurden zu langen Haftstrafen verurteilt.

Im Laufe des Tages werden jetzt die verschiedenen neuen Möglichkeiten des BKA-Gesetzes diskutiert. Also zum Beispiel die heimliche Installation von Kameras in Wohnungen, die Online-Durchsuchung und die Rasterfahndung. Die Aufgabe der Richter beschreibt Vizepräsident Ferdinand Kirchhof so: "Auf eine kurze Formel gebracht, ist die Frage zu beantworten: Wie viel an Datenschatz darf der Verfassungsstaat den Ermittlungsbehörden zugestehen, und welchen Datenschutz schuldet er seinen Bürgern?" Das Urteil des Gerichts in Sachen BKA-Gesetz kommt allerdings erst in einigen Monaten.

Gigi Deppe, G. Deppe, SWR, 07.07.2015 12:55 Uhr