Wer übernimmt Kosten für Atomausstieg? Die Angst vor dem Totalausfall

Stand: 23.02.2016 15:41 Uhr

Das Abschalten von Atomkraftwerken ist teuer: Sie müssen aufwendig abgerissen und der strahlende Müll endgelagert werden. Doch wer zahlt dafür? Darüber diskutiert der Bund gerade mit den Energieriesen. Ein Worst-Case-Szenario spielt den Konzernen dabei in die Hände.

Von Angela Ulrich, ARD Berlin

Die Gefahr ist da, das weiß auch die Atomkommission. "Das Ziel heute muss die Vermeidung des Totalausfalls durch eine bessere Absicherung der Risiken sein", heißt es da im Entwurf des Abschlussberichts, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Im Klartext: Es hilft niemandem, wenn Energieversorger pleitegehen - dann können sie die Kosten für den Abriss der Atommeiler und für die Entsorgung des strahlenden Mülls erst recht nicht zahlen.

Und den Großen Vier, RWE, Eon, EnBW und Vattenfall, geht es nicht gut. Aber das darf nicht dazu führen, dass sich die Firmen aus der Verantwortung stehlen, sagt der grüne Energieexperte Oliver Krischer. "Die Konzerne machen sich im Moment schlechter als sie sind, insbesondere RWE", sagt er. Die Unternehmen wollten Druck auf die Verhandlungen ausüben und führten auch Konzernumbauten ins Feld. "Das ist immer die Gelegenheit zu sagen: Jetzt darf nicht zu viel Belastung gemacht werden", analysiert Krischer.

Politiker wollen sich nicht täuschen lassen

RWE hat gerade das Signal ausgesandt: "Wir haben nicht mal mehr Geld für die jährliche Dividende!" Davon will sich die Atomkommission unter Führung des Grünen Jürgen Trittin aber nicht irritieren lassen. Ein Grundsatz gilt weiter: "Ganz oben muss das Verursacherprinzip stehen, und das heißt, dass die Konzerne auch für die langfristigen Kosten haften müssen", sagt auch der SPD-Umweltpolitiker Matthias Miersch.

Die Atomkommission schlägt daher einen Kompromiss vor: Die Betreiberfirmen bleiben vollständig für den Abriss der Atomanlagen und die sichere Entsorgung der Behälter verantwortlich. Dafür müssen sie alle Kosten tragen. Was aber die Zwischen- und Endlagerung des strahlenden Mülls angeht, sollen die Konzerne nur einen Teil der Rechnung begleichen. Sie zahlen dafür Geld in einen Fonds ein. Wenn es nachher teurer wird, haftet der Staat - sprich der Steuerzahler. Derzeit läuft der Verhandlungscountdown in der Atomkommission, wie viel Geld in diesem Fonds landen soll.

Reichen die Rückstellungen der Konzerne?

Der Grüne Krischer hält diesen Kompromiss für eine gute Lösung: "Das ist vom Prinzip her eine sinnvolle Aufteilung, um das lange verschleppte Problem der Finanzierung der Atomaltlasten so lösen zu können, dass auf der einen Seite das Risiko des Steuerzahlers minimiert wird, auf der anderen Seite die Konzerne auch tatsächlich zahlen können." Teil eines möglichen Paktes wäre auch, dass die Unternehmen alle Klagen gegen den Atomausstieg zurücknehmen. Davon gibt es einige.

Die große Frage bleibt, ob die Rückstellungen der Energieversorger für Abriss und Endlagerung ausreichen. Bisher haben sie dafür rund 38 Milliarden Euro angerechnet - aber nicht als Bargeld, sondern diese stecken in Kraftwerken, Stromnetzen, Finanzanlagen. Und da machen Wertverluste und niedrige Zinsen einen Strich durch die Rechnung.

Noch reicht es wohl, hat ein Stresstest im vergangenen Jahr ergeben, den das Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hatte. Aber es bleiben Fragezeichen. Es müsse Rechtssicherheit mit den Unternehmen geschaffen werden, macht Krischer klar. "Wenn sie in Zukunft insolvent gehen, und das will ich nicht ausschließen, dann muss es zumindest gelungen sein, dass das Geld für die Atomendlagerung nicht futsch ist."

Genau das ist das Ziel der Atomkommission. Sie legt kommende Woche ihren Abschlussbericht vor.