Ein Straߟenwärter montiert an der Autobahn A81 am Hegaublick ein Schild mit der Aufschrift ''130''.
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Tempolimit und Klimaschutz Langsam zu mehr Klimaschutz?

Stand: 14.06.2021 15:29 Uhr

Kann ein Tempolimit auf Autobahnen Deutschland ein Stück näher zum anvisierten Klimaziel bringen? Nein, sagt dazu Unions-Kanzlerkandidat Laschet. Die Grünen halten ihm eine Studie des Umweltbundesamts entgegen.

Von Natalia Frumkina, tagesschau.de

Kurz vor der Bundestagswahl keimt eine alte Diskussion wieder auf: Wie nützlich wäre ein Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen für den Klimaschutz? Im Oktober 2019 lehnte eine Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag einen entsprechenden Antrag der Grünen ab, doch aus der Welt war das Thema damit nicht.

Während die Grünen am Wochenende auf ihrem Parteitag die Kernforderung nach einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 130 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen bekräftigten, bleibt CDU/CSU-Kanzlerkandidat Armin Laschet der Unions-Linie treu und hält dagegen.

In einem Interview mit der "Bild am Sonntag" sagte Laschet: "Es gibt wenige Strecken in Deutschland, auf denen man tagsüber überhaupt schneller als 130 fahren kann, sodass ein Tempolimit relativ wenig Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß hätte." Die Hamburger Grünen-Kandidatin Katharina Beck bezeichnet diese Behauptung auf Twitter als "falsch" und hält dagegen: Ca. zehn Prozent des für den Verkehr von der Großen Koalition angesetzten Reduktionsziels ließen sich durch ein Tempolimit einsparen.

Studie des UBA

Beck bezieht sich auf eine Studie des Umweltbundesamts (UBA), die Anfang 2020 veröffentlicht wurde - nachdem der Bundestag den Vorstoß der Grünen zu einem Tempolimit bereits abgelehnt hatte. Der Studie liegen Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen zu den mittleren Geschwindigkeiten und Geschwindigkeitsverteilungen auf Autobahnen zu Grunde.

Demnach ließen sich mit einem Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde die Treibhausgasemissionen des Verkehrs um jährlich 1,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente mindern. Bei einem Tempolimit von 120 km/h wären es 2,6 Millionen Tonnen und bei 100 Kilometern pro Stunde sogar 5,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

2019, vor der Corona-Pandemie, entfielen auf den Verkehr in Deutschland 166 Millionen Tonnen CO2. Bereits im kommenden Jahr soll diese Zahl auf 139 Millionen Tonnen sinken - so hat es die Bundesregierung im neuen Klimaschutzgesetz als kurzfristiges Ziel festgelegt.

Vor dem Hintergrund der anvisierten Reduktion um 27 Millionen Tonnen CO2, wären 2,6 Millionen Tonnen - wie Beck von den Grünen vorrechnet - tatsächlich rund zehn Prozent der angepeilten Einsparungen. Zu erreichen wären sie allerdings nach UBA-Berechnungen erst mit einem Tempolimit von 120 km/h. Solch eine Begrenzung auf deutschen Autobahnen streben aber nicht einmal die Grünen selbst in ihrem Wahlprogramm an.

Theorie vs. Praxis

Auch wenn Laschets Aussage, dass ein Tempolimit wenig Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß hätte, eine relative ist: Die UBA-Berechnungen basieren auf tatsächlich gemessenen Geschwindigkeiten auf Autobahnen. Das angenommene Tempolimit könnte somit - sollten alle der Studie zugrunde liegenden Annahmen tatsächlich zutreffen - zu einer spürbaren CO2-Reduktion im Verkehrssektor beitragen. Noch deutlicher wirken die Zahlen, wenn man die UBA-Angaben berücksichtigt, wonach für das Jahr 2018 nur rund ein Viertel der vom Verkehr verursachten CO2-Äquivalente auf Autobahnen entfiel (Rund 39,1 von 157,7 Millionen Tonnen). Das heißt, die Einsparung von 1,9 bzw. 2,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente bezieht sich auf eben dieses eine Viertel.

Gleichzeitig sollte aber auch nicht vergessen werden: Die möglichen Einsparungen durch ein generelles Tempolimit basieren auf theoretischen Berechnungen. Die Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen zur Durchschnittsgeschwindigkeit stammen aus den Jahren 2010 bis 2014, die Daten zu CO2-Emissionen sind von 2019. Der mit jedem Jahr steigende Anteil von Elektrofahrzeugen oder neueren Fahrzeugen mit geringerem Treibstoffverbrauch könnte den Effekt minimieren.

Was ist relativ wenig?

Ob Laschets Aussage damit falsch ist, so wie es die Grünen-Politikerin behauptet, lässt sich nicht eindeutig beurteilen. Letztendlich bleibt die Frage, was man unter "relativ wenig" versteht. Klar ist nur, dass die Themen Verkehr und Klimaschutz im anstehenden Wahlkampf noch eine wichtige Rolle spielen werden. Denn - auch wenn dies bislang kaum beachtet wurde: Die SPD fordert in ihrem Wahlprogramm ebenfalls ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 13. Juni 2021 um 20:00 Uhr.