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Hintergrund

#kurzerklärt Wer vertritt die Muslime in Deutschland?

Stand: 16.06.2017 16:38 Uhr

"Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland", sagte der damalige Bundespräsident Wulff schon 2010. Wie aber sind Muslime in Deutschland organisiert? Gibt es einen zentralen Ansprechpartner? Und was unterscheidet den Islam von den christlichen Kirchen?

Von Alex Westermann, NDR

Schon die Frage, wer in Deutschland als Muslim gilt, ist schwer zu beantworten. Denn im Gegensatz zur evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland ist die Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft Islam formal nicht klar geregelt: Es gibt keine Taufe, keine zwingende Mitgliedschaft in einer Gemeinde und auch kein Äquivalent zur Kirchensteuer, wie sie von den beiden großen christlichen Kirchen erhoben wird. Aus einem Arbeitspapier des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge geht hervor, dass schätzungsweise 4,4 bis 4,7 Millionen muslimische Menschen in Deutschland leben.

Islamische Gemeinden und Dachverbände

Auch die exakte Anzahl der islamischen Gemeinden in Deutschland kennt man nicht. Die Studie "Islamisches Gemeindeleben in Deutschland" geht von etwa 2350 Gemeinden aus. Viele von ihnen sind eingetragene Vereine und wurden nicht etwa von einer bestimmten Organisation sondern in Eigeninitiative von muslimischen Einwanderern gegründet. Nichtsdestotrotz vertreten mittlerweile vier große Dachverbände einen Großteil dieser Vereine: Der Zentralrat der Muslime, der Verband der Islamischen Kulturzentren, der Islamrat und die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib.

Verbände eher türkisch geprägt

Bis auf den "Zentralrat der Muslime" sind diese Dachverbände vor allem türkisch geprägt. Die Ditib unterhält sogar offiziell enge Verbindung zum türkischen Staat. Imame, die in den Ditib-Gemeinden predigen, werden beispielsweise in der Türkei ausgebildet, und ihr Aufenthalt in Deutschland wird zum Teil von der türkischen Religionsbehörde Diyanet bezahlt.

Für die Mehrheit der Muslime in Deutschland sprechen diese Dachverbände nicht. Das zumindest lässt die letzte repräsentative Studie der aus dem Jahr 2009 vermuten. Nur jeder fünfte Muslim in Deutschland gab damals an, Mitglied in einem Moscheeverein zu sein. Zudem kommen die Autoren zu dem Schluss, dass sich weniger als ein Viertel der Muslime in Deutschland von den großen Dachverbänden vertreten fühlen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet das nachtmagazin am 16. Juni 2017 um 01:15 Uhr.