Ihor Kolomojskyj sitzt im Gerichtssaal.

Ermittlungen gegen Kolomojskyi Oligarch vor Gericht - Sorgen in der Ukraine

Stand: 03.09.2023 22:01 Uhr

Ihor Kolomojskyi ist einer der reichsten Menschen der Ukraine - und saß am Wochenende im Gerichtssaal. Dem Oligarchen wird Betrug und Geldwäsche vorgeworfen. Ausgerechnet Anti-Korruptionsaktivisten sind besorgt.

Von Rebecca Barth, ARD Kiew

In einem blauen Trainingsanzug des FK Dnipro betritt Ihor Kolomojskyj den Gerichtssaal. Am Wochenende wurde der Unternehmer vom ukrainischen Geheimdienst SBU wegen des Verdachts auf Betrug und Geldwäsche festgenommen.

Kolomojskyj war einst einer der mächtigsten Oligarchen des Landes, erklärt die Anti-Korruptionsaktivistin Olena Haluschka: "Er ist in der Ukraine berüchtigt für einen der größten Bankbetrugsfälle - der Fall der Privatbank. Laut Gutachten wurden etwa 5,5 Milliarden Dollar veruntreut, die über diese Bank abgewickelt wurden."

Aber nicht nur das: Kolomojskyjs einflussreicher Fernsehkanal spielte auch im Wahlkampf des heutigen Präsidenten der Ukraine eine große Rolle. Doch von dem Oligarchen distanziert sich Wolodymyr Selenskyj seit Jahren.

Selenskyj gibt sich entschlossen

Nach der Verhaftung am Wochenende verspricht der Präsident den Menschen in der Ukraine, in Zukunft würden andere Regeln herrschen: "Es wird zweifellos kein jahrzehntelanges 'business as usual' mehr für diejenigen geben, die die Ukraine ausgeplündert und sich über das Gesetz und jegliche Regeln gestellt haben."

In seiner Videoansprache dankte Selenskyj den Strafverfolgungsbehörden für ihre Entschlossenheit. Der Präsident will Korruption während des russischen Angriffskrieges in Zukunft rechtlich mit Hochverrat gleichsetzen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll in dieser Woche dem Parlament vorgestellt werden - doch gesehen hat ihn noch keiner.

Kritik aus dem EU-Parlament

Was zunächst gut klingt, trifft auf scharfe Kritik - auch im Westen. Der Europaabgeordnete Michael Gahler sagt: "Es ist unnötig, die Korruptionsbekämpfung während des Krieges von bestehenden Institutionen auf den Geheimdienst zu verlagern, indem Korruption als Hochverrat bezeichnet wird."

Was plant der Geheimdienst?

Die Verhaftung von Kolomojskyj freut viele Menschen in der Ukraine, gleichzeitig beunruhigt sie Anti-Korruptionsaktivisten. Denn die Ermittlungen laufen über den Geheimdienst SBU und nicht über die unabhängigen Anti-Korruptionsbehörden der Ukraine.

Der Geheimdienst habe eigentlich andere Aufgaben, betont Olena Haluschka. "Wir befürchten, dass der Geheimdienst mit dieser Untersuchung versucht zu zeigen, dass er Korruptionsfälle verfolgen kann. Das wird helfen, vor dem Parlament zu rechtfertigen, wieso der SBU in Zukunft mit solch hochkarätigen Fällen beauftragt werden sollte."

Die mühsam aufgebauten Anti-Korruptionsbehörden der Ukraine könnten dadurch entmachtet werden, fürchten Beobachter. Sollte Korruption zum Hochverrat erklärt werden, könnte der Geheimdienst für die Ermittlungen zuständig sein, so die Bedenken vieler. Der ist aber nicht unabhängig, sondern untersteht dem Präsidenten.

Besorgte Anti-Korruptionsaktivisten

Haluschka befürchtet, viele Abgeordnete hätten genau daran ein Interesse: "Leider gibt es im Parlament viele Leute, die an einer Schwächung der Anti-Korruptionsbehörden interessiert sind. Es gibt Leute, gegen die ermittelt wird." Die Aktivisten wollen den Druck auf den Präsidenten erhöhen, um eine Abstimmung über den Gesetzesentwurf zu verhindern.

Oligarch Kolomojskyj kann derweil auf Kaution frei kommen. Doch der russische Angriffskrieg hat die Machtverhältnisse verschoben - seinen alten Einfluss auf Politik und Wirtschaft kann Kolomojskyj zur Zeit nicht ausüben.

Rebecca Barth, ARD Kiew, tagesschau, 03.09.2023 22:05 Uhr