Mögliche Vorteile des Freihandelsabkommens TTIP - doch nicht so schlimm?

Stand: 23.02.2015 05:03 Uhr

Das von vielen Bürgern kritisierte Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) ist heute Thema von zwei Kongressen der Wirtschaft und der SPD in Berlin. Fast jede Woche werden neue Bedenken vorgetragen. Doch es lohnt sich ein genauer Blick - und die Frage, ob sich TTIP nicht vielleicht doch für Europa lohnt.

Von Jan Garvert, ARD Berlin

Die TTIP-Gegner sagen: "Die Verhandlungen sind intransparent." Die Verhandlungen sind zumindest nicht öffentlich - ebenso wenig wie die Vorstandssitzungen von Greenpeace, der Linkspartei oder den Grünen. Wichtig ist, dass nachher informiert wird. Das passiert mittlerweile.

Schiedsgerichte gibt es schon jetzt

"Internationale Schiedsgerichte hebeln nationale Parlamente aus", kritisieren die TTIP-Gegner. Schiedsgerichte können keine Gesetze aufheben. Sie können aber Schadensersatz zusprechen. Das ist aber auch jetzt schon aufgrund anderer Abkommen möglich.

Der Konzern Vattenfall klagt beispielweise auf Grundlage der Energiecharta gegen den deutschen Atomausstieg. Außerdem hat sich Vattenfall mit der Bundesregierung wegen aus seiner Sicht immer strenger werdenden Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg vor einem internationalen Schiedsgericht mit der Bundesregierung verglichen. Ein drittes Verfahren, das ein indischer Investor angestrengt hatte, ist im Sande verlaufen.

Mehr Schiedsgerichtsverfahren gegen Deutschland gab es bislang es nicht. Aufgabe der Schiedsgerichte ist es, Investoren vor staatlicher Willkür zu schützen. Vertreter der deutschen Industrie, wie der Chef des Verbandes der Automobilindustrie, Matthias Wissmann, haben keine Bedenken dagegen.

"Verzicht auf Investorenschutz wäre ein schwerer strategischer Fehler, übrigens ein Eigentor für die Europäer, denn mehr als die Hälfte der weltweiten Schiedgerichtsverfahren sind Verfahren europäischer, auch deutscher Unternehmen, viele davon Mittelständler, gegen andere in der Welt, die die Inverstitionszusagen verletzen." Bei TTIP drängen vor allem die USA auf so einen Investorenschutz, weil sie den Rechtssystemen in einigen südosteuropäischen EU-Staaten nicht trauen.

Chancen auch für den Mittelstand

"Von TTIP profitiert nur die Großindustrie", sagen die Freihandels-Gegner. Aber das stimmt nicht: Der Mittelstand hat zwar anders als die Industrie Bedenken gegen Schiedsgerichte - vor allem wegen hoher Prozesskosten -, aber sonst meint zum Beispiel Mario Ohoven, der Präsident des Bundesverbandes der Mittelständischen Wirtschaft: "Ich bin davon überzeugt, der deutsche Mittelstand wird auch in erheblichem Maße von TTIP profitieren."

Weil dann viele Mittelständler, die vom Export leben, auch leichteren Marktzugang in den USA bekommen. Denn ein Ziel von TTIP ist es, nicht nur Zölle, sondern auch andere Handelshemmnisse wie doppelte Zulassungsverfahren abzuschaffen, indem man die nationalen Verfahren gegenseitig anerkennt. Ein Beispiel dafür ist die Zulassung von gelben und roten Blinkern bei Autos auf europäischen und US-Straßen. Oder die gegenseitige Anerkennung von Crashtests.

Und was ist mit Verbraucherstandards?

"Durch TTIP werden Verbraucherstandards gesenkt." Hinter dieser Befürchtung steht die Annahme, Verbraucherstandards in den USA seien grundsätzlich niedriger. Doch auch das ist falsch. Knut Brünjes, Unterabteilungsleiter für Außenhandel im Bundeswirtschaftsminsterium, sagt, dass in den USA zum Beispiel bei der Bio-Fleisch-Produktion strengere Regeln für den Antibiotika-Einsatz gelten würden.

"Antibiotika-Anwendungen sind in den USA untersagt bei 'Organic Products' - und hier nicht." Und auch das mittlerweile berühmte US-Chlorhuhn, die Ikone der Freihandelsgegner, birgt ein geringeres Risiko, an schädlichen Keimen zu erkranken als europäische Hähnchen. Strengere Standards gibt es auch für Medizinprodukte oder Kosmetika.

Viele Kritiker fordern trotzdem: "TTIP stoppen!" Dann allerdings würden künftig nicht die EU und die USA die weltweiten Verbraucher-Standards setzen, sondern andere Global Player zusammen mit den USA wie etwa China. Außerdem ist historisch betrachtet klar: Freier Handel sorgt für Frieden und Wohlstand.