Ein Mann hält die russische Nationalflagge vor einem Militärfahrzeug der Wagner-Gruppe mit der Aufschrift „Rostow“ in Rostow am Don

Reaktionen nach Aufstand in Russland Auffällige Zurückhaltung

Stand: 25.06.2023 19:02 Uhr

Mehr als 24 Stunden Revolte, dann war der Aufstand der Wagner-Söldner gegen die Führung in Moskau plötzlich vorbei. International halten sich viele Regierungen mit Einschätzungen zu den Entwicklungen in Russland bedeckt.

Den Aufstand der Wagner-Söldner hat Russlands Präsident Wladimir Putin überstanden - vorerst. US-Außenminister Antony Blinken zufolge wirft er aber viele Fragen über die Macht von Putin auf. "Ich denke, man sieht Risse auftauchen, die vorher nicht da waren", sagte Blinken im US-Fernsehen. "Die Tatsache, dass es jemanden im Inneren gibt, der Putins Autorität direkt in Frage stellt, direkt die Prämissen in Frage stellt, auf deren Grundlage er diese Aggression gegen die Ukraine startete, das ist an sich schon etwas sehr, sehr Mächtiges."

Auf die Frage, wer in der US-Regierung mit der russischen Führung in Kontakt gestanden habe, sagte Blinken, dass sein Team sich über das Wochenende mit Vertretern Russlands ausgetauscht habe. Blinken betonte aber mehrfach, dass es sich bei dem Aufstand um eine "interne Angelegenheit" Russlands handle.

Viele offene Fragen und vermeintliche Ruhe nach Ende des Aufstands der Wagner-Söldner in Russland

Olaf Bock, ARD Warschau, tagesschau, 25.06.2023 20:00 Uhr

Blinken: "Das jüngste Kapitel in einem Buch des Scheiterns"

Zu Berichten darüber, dass die US-Regierung von ihren Geheimdiensten über die Pläne von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin bereits zuvor informiert worden sei, äußerte sich Blinken nicht explizit. "Ich denke, dass es für viele Menschen über viele Monate kein Geheimnis war, dass diese Spannungen zunahmen, dass sich etwas zusammenbraute", sagte er. Es habe sich um einen "aufziehenden Sturm" gehandelt. "Dies ist nur das jüngste Kapitel in einem Buch des Scheiterns, das Putin für sich selbst und für Russland geschrieben hat", so der Minister.

Der von Russland angegriffenen Ukraine könnte der Aufstand einen Vorteil verschaffen, da Putin sich nun darum sorgen müsse, was im eigenen Land passiere, sagte Blinken.

Zuvor hatte sich die Regierung von US-Präsident Joe Biden mit öffentlichen Einschätzungen zu den Entwicklungen in Russland auffällig zurückgehalten - wie andere Regierungen im Westen auch. In den meisten Erklärungen hieß es lediglich, man beobachte die Situation.

Bundesregierung hält sich mit Statements zurück

Auch im politischen Berlin drang wenig nach außen. Am Wochenende beriet Außenministerin Annalena Baerbock mit Ihren Amtskolleginnen und -Kollegen der anderen westlichen Industriestaaten G7. Auch der Krisenstab trat zusammen.

Bundeskanzler Olaf Scholz telefonierte mit den Staatschefs der wichtigen Verbündeten USA, Frankreich und Großbritannien. Verteidigungsminister Boris Pistorius erklärte, dass es zu früh sei für eine Bewertung des Geschehens.

Die Zurückhaltung der Bundesregierung sei aber genau richtig, sagte die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. "Es ist ein innerrussisches Thema." Insofern sei es klug gewesen, dass die europäischen Staaten diesbezüglich auch keine Meinung geäußert hätten, so die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Sender Phönix.

Auch Strack-Zimmermann sieht in der von Prigoschin angeführten Revolte Anzeichen einer Schwächung Putins. "Es könnte der erste "Haarriss eines Systems sein", welches darauf aufgebaut sei, die Menschen zu unterdrücken. Ähnlich äußerte sich der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. In der "Rheinischen Post" gab er sich davon überzeugt, dass die eineinhalb Tage des Aufstands der Autorität Putins einen schweren Schlag versetzt hätten.  

"Erster Haarriss im Beton des Kreml'" Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP/Vorsitzende Verteidigungsausschuss, zum Söldneraufstand

Bericht aus Berlin, 25.06.2023 18:00 Uhr

Am Montag kommen Außenminister der EU zusammen

Die Außenministerinnen und -minister der EU-Staaten wollen sich am Montag bei einem Treffen in Luxemburg über den Machtkampf in Russland und die möglichen Auswirkungen auf den Krieg in der Ukraine austauschen. Auch Baerbock wird mit dabei sein. Sie hatte wegen einer Reise nach Südafrika eigentlich nicht an dem regulären EU-Treffen teilnehmen wollen, plante am Wochenende aber angesichts der jüngsten Entwicklungen in Russland um.

Für die EU stellt sich unter anderem die Frage, welche Konsequenzen der Machtkampf zwischen Prigoschin und Putin auf Konflikte und Kriege in anderen Ländern haben könnte. So war die Wagner-Gruppe in den vergangenen Jahren nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Ländern wie Mali und Libyen aktiv.

China: "Unterstützen Russlands nationale Stabilität"

Aus China gab es bislang keine offiziellen Reaktionen zu dem, was gestern beim engen Verbündeten Russland passiert ist. Allerdings wurde bekannt, dass sich Chinas Außenminister Qin Gang in Peking mit dem russischen Vize-Außenminister Andrej Rudenko getroffen hat. Chinas Staatsmedien veröffentlichten danach eine kurze Meldung: Qin und Rudenko sprachen demnach über die bilateralen Beziehungen und über andere "regionale und internationale Angelegenheiten". Mehr wurde nicht bekannt.

Zudem versprach China Russland Unterstützung bei dem Versuch, die nationale Stabilität zu erhalten. Das chinesische Außenministerium teilte weiter mit, bei dem versuchten Aufstand der Wagner-Söldner handele es sich um eine innere Angelegenheit Russlands.

Dass Prigoschin seinen Vormarsch auf Moskau gestoppt hat, liegt klar im Interesse der Führung in Peking. Denn vor kaum etwas sorgt man sich dort so sehr wie vor politischer Instabilität in Russland. Putin ist ein wichtiger Verbündeter für die kommunistische Führung in Peking - vor allem wegen Putins anti-amerikanischer und anti-demokratischer Politik.

Solidaritätsbekundungen aus Lateinamerika

Die lateinamerikanischen Verbündeten Russlands stellten sich erwartungsgemäß hinter den Kreml. Der kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel schrieb am Samstagabend auf Twitter, er drücke die Solidarität der Regierung und des Volkes Kubas mit Putin und dem russischen "Brudervolk" aus. "Wir sind der festen Überzeugung, dass die Einheit und die verfassungsmäßige Ordnung siegen werden." Zu dem Zeitpunkt hatte Prigoschin nach dem Vormarsch gen Moskau bereits den Rückzugsbefehl gegeben.

"Wir senden unsere Umarmung der Solidarität und der Unterstützung an den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, dem es gelungen ist, einen Versuch des Verrats und des Bürgerkriegs zu bewältigen und seinem Volk den Sieg und den Frieden zu garantieren", twitterte Venezuelas Präsident Nicolás Maduro.

In einer offiziellen Mitteilung aus dem mittelamerikanischen Nicaragua hieß es, Präsident Daniel Ortega und seine Ehefrau sowie Vizepräsidentin Rosario Murillo übermittelten Putin "unsere Zuneigung in revolutionärer Bruderschaft".

Mit Informationen von Dietrich Karl Mäurer, ARD-Hauptstadtstudio, und Steffen Wurzel, SWR

Claudia Sarre, ARD Washington, tagesschau, 26.06.2023 06:38 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 25. Juni 2023 um 20:00 Uhr.