Trümmer in Rafah

Vor Israels Offensive auf Rafah Riesige Zeltstädte für Hunderttausende Zivilisten?

Stand: 13.02.2024 10:31 Uhr

In Rafah leben inzwischen mehr als eine Million Menschen. Jetzt steht Israels Offensive auf den letzten Ort im Gazastreifen unter Hamas-Kontrolle wohl bevor. Israel plant für die Geflüchteten offenbar riesige Zeltstädte.

Israel hat vor der geplanten Militäroffensive auf Rafah laut einem Medienbericht Zeltstädte für die zu evakuierende Stadtbevölkerung vorgeschlagen. Wie das "Wall Street Journal" unter Berufung auf ägyptische Beamte berichtete, sollen im südwestlichen Teil des abgeriegelten Küstenstreifens 15 Lager mit jeweils rund 25.000 Zelten errichtet werden. Das an Rafah grenzende Ägypten wäre demnach für die Einrichtung zuständig.

"Wahrscheinlich von Ägypten aus organisiert", Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, zu möglichen Zeltstädten in Rafah

tagesschau, 13.02.2024 12:00 Uhr

Israel sieht in der Stadt die letzte Bastion der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen. In dem Ort, der vor dem Krieg rund 300.000 Einwohner hatte, halten sich laut UN-Angaben allerdings 1,3 Millionen Menschen auf. Die meisten von ihnen flohen aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin, zum Teil auf Anordnung des israelischen Militärs.

Die Hamas-Terroristen wollten die Zivilisten in Rafah als menschliche Schutzschilde missbrauchen, sagte Israels Regierungssprecher Eilon Levi gestern. Deshalb müssten sie vor der Offensive in Sicherheit gebracht werden. An die UN-Organisationen gewandt sagte er: "Sagen Sie nicht, dass es nicht getan werden kann. Arbeiten Sie mit uns, und finden Sie es heraus!"

Karte: Gazastreifen, schraffiert: von der israelischen Armee kontrollierte Gebiete

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee

"Werden uns nicht an Vertreibung beteiligen"

Israels geplante Militäroffensive auf Rafah stößt international auf starke Kritik. Alles, was im südlichen Teil der Region an der Grenze zu Ägypten passiere, müsse unter voller Achtung des Schutzes der Zivilbevölkerung stattfinden, sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric: "Wir werden uns nicht an der Vertreibung von Menschen beteiligen."  

Zudem bezweifelte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, dass es in anderen Gebieten des Gazastreifens sichere Zufluchtsstätten gebe: "Man kann Menschen nicht in Gebiete zurückschicken, die mit nicht explodierten Kampfmitteln übersät sind, ganz zu schweigen davon, dass es dort an Unterkünften mangelt."

Biden fordert Schutz der Zivilisten

Auch US-Präsident Joe Biden mahnte erneut eindringlich den Schutz der Zivilbevölkerung an. Der Angriff dürfe "nicht ohne einen glaubwürdigen Plan zur Gewährleistung der Sicherheit und Unterstützung von mehr als einer Million Menschen stattfinden, die dort Schutz suchen", sagte er gestern (Ortszeit) nach einem Treffen mit Jordaniens König Abdullah II. im Weißen Haus. Viele Menschen seien in Rafah "zusammengepfercht, ungeschützt und wehrlos". Die US-Regierung habe zudem immer klar gesagt, dass sie gegen jede Vertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen sei.

Die USA arbeiten laut Biden an einer "mindestens sechswöchigen" Feuerpause im Gazastreifen und an einem Geiselabkommen zwischen Israel und der Hamas, das für den Gazastreifen "eine sofortige und anhaltende Ruhephase" bringen werde.

Abdullah II. warnte ebenfalls vor einer Offensive. "Er wird mit Sicherheit zu einer weiteren humanitären Katastrophe führen", sagte er. Die Situation sei bereits unerträglich. Er forderte einen sofortigen, dauerhaften Waffenstillstand. Zudem müsse dringend humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangen.

China rief Israel ebenfalls zu einem Ende der Militäroperationen im Süden des Gazastreifens auf. Man sei sehr besorgt über die Entwicklung in der Region Rafah und lehne jede Aktion ab, die Zivilisten schade, erklärte das Außenministerium. Israel solle seine Militäroperationen so schnell wie möglich einstellen und alles tun, um eine größere humanitäre Katastrophe zu verhindern.

Friedensplan für israelisch-libanesische Grenze

Frankreich hat dem Libanon unterdessen nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters einen Vorschlag zur Beendigung der Feindseligkeiten an der israelisch-libanesischen Grenze vorgelegt. Demnach machte Außenminister Stéphane Séjourné den Vorschlag in der vergangenen Woche unter anderem dem libanesischen Ministerpräsidenten Nadschib Mikati. "Wir haben Vorschläge gemacht und stehen in Kontakt mit den Amerikanern. Es ist wichtig, dass wir alle Initiativen zusammenbringen und Frieden schaffen", sagte Séjourné gestern.

Dem französischen Vorschlag zufolge sollen sich die Kämpfer verschiedener Milizen, darunter auch der von Iran unterstützten Terrororganisation Hisbollah, unter anderem zehn Kilometer von der Grenze zu Israel zurückziehen. Der französische Dreistufenplan sieht einen zehntägigen Deeskalationsprozess vor. Auch sollen demnach bis zu 15.000 Soldaten der regulären libanesischen Armee an der Grenze zu Israel stationiert werden.

Auf eine Anfrage von Reuters sagte ein ranghohes Hisbollah-Mitglied, man werde "vor einer Einstellung der Angriffe auf Gaza keine Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Situation im Südlibanon" erörtern. Ein israelischer Beamter sagte Reuters, die Regierung befasse sich mit dem Vorschlag.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 12. Februar 2024 um 23:30 Uhr.