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Niger Putschisten verkünden Sturz der Regierung

Stand: 27.07.2023 10:53 Uhr

Eine Gruppe von Putschisten hat eigenen Angaben zufolge den nigrischen Präsidenten Bazoum festgesetzt und die Macht in dem afrikanischen Staat übernommen. Für den Westen könnte das den Verlust eines wichtigen Partners bedeuten.

Am Mittwochabend melden sie sich im Fernsehen zu Wort. Zehn Männer, Militärs. Einer, ganz in Blau, stellte sich als Oberst Major Amadou Abdramane vor, Sprecher der Putschisten.

"Alle aus der 7. Republik hervorgegangenen Institutionen sind suspendiert. Die Generalsekretäre der Ministerien werden sich um die Abwicklung der aktuellen Angelegenheiten kümmern, die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte regeln die Situation", verkündete Abdramane. Zudem würden "alle externen Partner gebeten, sich nicht einzumischen".

Land- und Luftgrenzen des Niger seien geschlossen, hieß es von Abdramane weiter. Solange, bis sich die Lage stabilisieren werde. "Ab diesem Tag gilt im gesamten Gebiet bis auf Weiteres eine Ausgangssperre von 22 Uhr bis 5 Uhr", kündigte er zudem an.

Norbert Hahn, ARD Nairobi, mit einer Einschätzung zu Militärputsch in Niger

tagesschau, 27.07.2023 12:00 Uhr

Vier Militärputsche seit Unabhängigkeit

Die Putschisten nennen sich "Nationaler Rat zum Schutz des Vaterlandes" und begründen ihren Umsturzversuch mit der schwierigen Wirtschafts- und Sicherheitslage im Land. Am Mittwochmorgen hatten sie den Zugang zur Residenz des Präsidenten Mohamed Bazoum gesperrt und ihn festgesetzt.

Präsident Bazoum rief unterdessen die Bevölkerung auf, die hart erkämpften Errungenschaften der Demokratie zu retten. Dafür würden die Menschen, die die Demokratie lieben, sorgen, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst X (früher Twitter).

Auch Außenminister Hassoumi Massoudou forderte auf der Plattform "alle Demokraten und Patrioten" auf, dieses "gefährliche Abenteuer" - den versuchten Staatsstreich - scheitern zu lassen.

Seit der Unabhängigkeit 1960 gab es in Niger vier Militärputsche und zahlreiche Putschversuche. In den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso regieren nach vier Militärputschen in den vergangenen Jahren bereits Militärjuntas. 

In Niamey, der Hauptstadt in Niger, protestieren Einwohner gegen einen Putschversuch.

In der nigrischen Hauptstadt Niamey hatten Menschen noch für die Freilassung des Präsidenten demonstriert, wurden jedoch von Warnschüssen der Putschisten vertrieben.

Für den Westen ein Partner im Antiterror-Kampf

International wurde der Putschversuch schnell verurteilt. Die Westafrikanische Wirtschaftsunion ECOWAS will einen Vermittler nach Niger schicken. Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte den Putschversuch ebenfalls. UN-Generalsekretär António Guterres verlangte von allen Parteien, sich der Gewalt zu enthalten und die Rechtsstaatlichkeit zu achten.

Niger gilt als strategischer Partner im Antiterror-Kampf in der Sahelzone, wo sich der dschihadistische Terror weiter ausbreitet. Deswegen haben europäische Staaten zuletzt massiv in den Wüstenstaat investiert, in Militärkooperationen und Entwicklungszusammenarbeit. Auch weil die Militärjunta im Nachbarstaat Mali immer mehr westliche Partner vergrault hat und mit der russischen Sölnder-Gruppe Wagner kooperiert.

Mali-Experte vermutet internen Machtkampf

Für Ulf Laessing, Sahel-Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako, ist der Putsch eine Katastrophe. "Präsident Bazoum hat jetzt den Machtkampf verloren. Das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht für die westlichen Staaten, die voll auf Niger als Stabilitätsanker im Sahel gesetzt haben", sagt der Experte. Der Niger sei jedoch immer sehr fragil gewesen und all die Militärkooperationen hätten letztendlich wenig gebracht.

Laessing zufolge geht der Putschversuch wohl auf einen "internen Machtkampf" zurück. "Wir müssen halt abwarten, ob die Gruppe von Militärs, die die Machtübernahme angekündigt hat, sich halten kann", sagt er.

Karte: Niger, Mali, Burkina Faso

Risiko für Bundeswehr?

Der Putsch könne aus Laessings Sicht aber auch heikel für die Bundeswehr werden. In der Hauptstadt Niamey sind zurzeit 100 deutsche Soldaten stationiert. Laut Bundesverteidigungsministerium sind diese erst einmal in Sicherheit.

Die Bundeswehr unterhält in Niamey einen Lufttransportstützpunkt für das militärische Engagement in Westafrika. Dieser Stützpunkt ist auch für den Abzug aus dem benachbarten Mali wichtig. Wie das nun funktionieren soll, bleibt noch offen. Momentan ist auch die Bundeswehr laut dpa von der Sperrung des Luftraums betroffen. Demnach gingen zunächst keine Flüge mehr zu dem Lufttransportstützpunkt in Niamey.

Mit dem Putsch in Niger könnte auch der letzte Sahelstaat des sogenannten Dreiländerecks Mali, Niger, Burkina Faso in die Hand einer Militärjunta geraten. Das droht eine Krisenregion weiter zu destabilisieren, die heute schon zu einem Zentrum des weltweiten Dschihadismus geworden ist.

Dunja Sadaqi, ARD Rabat, tagesschau, 27.07.2023 06:07 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. Juli 2023 um 07:21 Uhr.