Interview

Interview zur Lage in Pakistan Punktsieg für Muscharraf

Stand: 10.07.2007 20:19 Uhr

Wie geht es in Pakistan nach dem Sturm auf die Rote Moschee in Islamabad weiter? ARD-Korrespondent Hampel sieht im Interview mit tagesschau.de Präsident Muscharraf als Sieger des Machtkampfs mit den Islamisten. Doch er befürchtet, dass diese sich nun umso vehementer Gehör verschaffen werden.

Wie geht es in Pakistan nach dem Sturm auf die Rote Moschee in Islamabad weiter? Wird sich die politische Lage verschärfen oder entspannen? ARD-Korrespondet Armin Paul Hampel sieht im Interview mit tagesschau.de Präsident Muscharraf als Sieger des Machtkampfs mit den Islamisten. Doch er befürchtet, dass diese sich nun umso vehementer Gehör verschaffen werden.

tagesschau.de: Die pakistanische Öffentlichkeit war bisher im Konflikt um die Rote Moschee gespalten. Wie wird sich das nach der Erstürmung entwickeln?

Hampel: Die Bevölkerung wird eher positiv reagieren. In den vergangenen Tagen ist der Druck, dass etwas getan werden muss, immer größer geworden. Die Belagerung der Moschee ging auch Leuten, die unterschwellig mit den Islamisten sympathisieren, zu weit. Das betrifft zum Beispiel Eltern, die ihre Kinder in die Koranschule geschickt haben und nun miterleben mussten, wie diese zu Geiseln wurden. Von denen werden sich einige distanzieren, das bekommt man schon mit.

tagesschau.de: Das erstaunt, denn bei der Erstürmung der Moschee durch die Armee hat es ja auch Dutzende Tote gegeben.

Hampel: Verglichen mit dem Blutbad, das hier alle befürchtet hatten, sind die Opferzahlen verhältnismäßig niedrig. Die Armee hat versucht, mit den geringsten militärischen Mittel vorzugehen. Zwar wurden Sprengsätze am Gebäude angebracht, um den Zugang zu ermöglichen und Fluchtwege zu schaffen. Aber ich habe ganz selten Maschinengewehre gehört. Stattdessen hat die Armee Betäubungsgewehre eingesetzt, wann immer das möglich war. Das ist in der Bevölkerung angekommen und wird honoriert.

tagesschau.de: Ist Muscharraf als Sieger aus dem Machtkampf mit den Islamisten hervorgegangen?

Hampel: Muscharraf ist taktisch äußerst klug vorgegangen, dadurch, dass er bis zum Schluss immer wieder Verhandlungen angeboten hat. Ob das nur Bluff war und er Dinge angeboten hat, die er nicht eingelöst hätte, ist eine andere Sache: Die Auseinandersetzung um die Moschee war ein Krieg der Worte und in der Öffentlichkeit hat Muscharraf den Punktsieg davongetragen.

tagesschau.de: Wie werden die Islamisten reagieren?

Hampel: Nach wie vor haben die Fundamentalisten in Pakistan keine Mehrheit. Ihre Top-Ergebnisse bei Wahlen in den vergangenen Jahren lagen bei zwölf Prozent. Man täuscht sich in Europa oft: Muscharraf und das Militär haben in den vergangenen Monaten deutlich an Zustimmung verloren. Aber die Mehrheit der Pakistaner neigt zu demokratischen Parteien. Die beiden großen politischen Herausforderer sind Nawaz Scharif und Benazir Bhutto, nicht die Fundamentalisten. Die Fundamentalisten sind in Pakistan bisher eine verhältnismäßig kleine Gruppe, die mit ihrem lauten Auftreten für viel Aufmerksamkeit sorgt. So sind die Sympathie-Kundgebungen, die wir im Fernsehen sehen, oftmals nicht spontan, sondern straff organisiert.

Islamisten werden ihre Entschlossenheit zeigen

tagesschau.de: Wir erleben in den Palästinensergebieten, wie groß der Einfluss radikaler Gruppen werden kann. Sehen Sie diese Gefahr auch in Pakistan?

Hampel: Ich befürchte ja. Die Islamisten werden auch bei den nächsten Wahlen nicht viel mehr Stimmen bekommen als bisher und deshalb werden sie weiter anderere Wege beschreiten, um sich Gehör zu verschaffen - wie sie das auch im Irak und in Afghanistan tun. Das gefährliche an diesen Leuten ist ihre Entschlossenheit. Die nächste Krisenregion könnte der Sindh werden, denn die Islamisten müssen zeigen, dass sie überall im Land präsent sind.

Eine weitere Strategie der Islamisten ist, zwischen Muscharraf und die Allierten Pakistans einen Keil zu treiben. Vor diesem Hintergrund ist die Erschießung von drei Chinesen am Wochenende in Peschawar zu sehen und auch die Geiselnahme mehrere chinesischer Studenten in der Moschee in Islamabad.

Muscharraf hat in der Armee an Glanz verloren

tageschau.de: In Pakistan spielt das Militär eine große Rolle. Muscharraf selbst ist als Putschgeneral an die Macht gekommen. Auf welcher Seite steht das Militär heute?

Hampel: Muscharraf hat in der Armee erheblich an Ansehen verloren. Doch ich habe nicht den Eindruck, dass die Islamisten in die Armee vorgedrungen sind. Ähnlich wie in der Türkei läuft das Militär in Pakistan immer mehr oder weniger parallel zur jeweiligen Regierung. Da interessiert es nicht besonders, wer an der Macht ist und ob das nach den Wahlen Ende des Jahres wieder ein demokratischer Staatschef sein wird. In jedem Fall wird die Armee weiter eine wichtige Rolle spielen und danach trachten, ihre Privilegien zu wahren.

tagesschau.de: Böse Zungen werfen Muscharraf vor, die Bedrohung durch die Islamisten gezielt zu übertreiben um den Eindruck entstehen zu lassen, ohne ihn, den General, gehe es nicht.

Hampel: Muscharraf ist viel stärker auf die Islamisten eingegangen, als das notwendig gewesen wäre. Deshalb ist die Vermutung berechtigt, dass er die Gruppen aufgewertet hat, um sich selbst als Retter des Landes darzustellen. Nach dem Motto: Ohne mich geht es nicht. Das kann man aber seinen beiden Konkurrenten vorwerfen: Jeder schaut erstmal auf seinen politischen Erfolg, egal um welchen Preis. Dabei nehmen sie auch eine Destabilisierung des Landes in Kauf.

tagesschau.de: Pakistan ist eine Atommacht. Wie blickt der Nachbar Indien auf die Entwicklung?

Hampel: Auf der einen Seite ist Indien froh, dass sich die Beziehungen der beiden Länger, wenn auch in kleinen Schritten, entspannen. Andererseits hat Indien vor einer zunehmenden Instabilität Angst - nicht nur wegen des Atompotenzials. Wenn Pakistan sich zu einem Brennpunkt entwickelt, dann wird das auch auf den indischen Subkontinent ausstrahlen. So haben bei der Anschlagsserie auf die Stadtbahn in Bombay lokale Kräfte mit pakistanischen Hintermännern kooperiert.

Das Interview führte Christine Kahle, tagesschau.de

Das Interview führte Armin-Paul Hampel, MDR