Lynchmorde in Indien

Selbstjustiz in Indien Fatale Fake News

Stand: 03.07.2018 13:37 Uhr

In Indien sind am Wochenende mindestens sechs Menschen von Lynchmobs ermordet worden. Auslöser waren offenbar falsche WhatsApp-Nachrichten. Jetzt warnt die Regierung vor Fake News.

Von Bernd Musch-Borowska, ARD-Studio Neu-Delhi

Die Zahl von Lynchmorden nach falschen WhatsApp-Nachrichten nimmt in Indien besorgniserregend zu. Aus verschiedenen Orten des Landes werden entsprechende Vorfälle gemeldet, die alle eine sehr ähnliche Entwicklung aufweisen.

Über WhatsApp werden Gerüchte verbreitet, es seien Kindesentführer in der Region unterwegs. Danach werden unbescholtene, aber den Bewohnern eines Ortes unbekannte, junge Männer oder Frauen von einer aufgebrachten Menschenmenge angegriffen und in zahlreichen Fällen zu Tode geprügelt.

Lynchmorde in Indien

Schaulustige fotografieren den Schauplatz der jüngsten Lynchmorde in Indien.

Lynchmob nicht zu bändigen

Die jüngsten Vorfälle ereigneten sich am vergangenen Wochenende, als zum einen im Bundesstaat Gujarat vier Frauen verprügelt wurden, von denen eine im Krankenhaus ihren Verletzungen erlag. Und zum anderen im Bundesstaat Maharashtra, wo ebenfalls am Wochenende fünf junge Männer von einem auch von der Polizei nicht zu bändigenden Mob getötet wurden. Einige der Täter wurden inzwischen festgenommen.

Deepak Vasant Kesarkar, der Innenminister des Bundesstaates Maharashtra, rief im indischen Fernsehen zu Besonnenheit auf: "Jeder, der sich an so etwas beteiligt, wird hart bestraft werden. Ich appelliere an die gesamte Bevölkerung, nicht alles zu glauben, was über die sozialen Netzwerke verbreitet wird. Falls es einen Verdacht gibt, informieren Sie die Polizei, aber niemand darf das Gesetz in die eigene Hand nehmen. Und wer Falschnachrichten verbreitet, wird ebenfalls hart bestraft."

Warnung mit dem Lautsprecherwagen

Ein Auslöser für die jüngste Serie von Lynchmorden war offenbar ein pakistanisches Aufklärungsvideo, das über die allgemeinen Gefahren von Kindesentführungen aufklären sollte. Über WhatsApp verbreitet wurde jedoch nur ein Ausschnitt, der einen Motorradfahrer zeigt, wie er gewaltsam ein kleines Kind mitnimmt. Die indische Polizei fährt inzwischen mit Lautsprecherwagen durch Städte und Dörfer, um über die Fake News und ihre Folgen aufzuklären.

Im vergangenen Jahr  gab es Medienberichten zufolge offenbar mindestens 22 Vorfälle dieser Art in Indien. Bei mehr als einer Milliarde Mobilfunkkunden und mehr als 200 Millionen angemeldeten Nutzern von WhatsApp ist die Kommunikation über solche Messenger-Dienste äußerst populär. Allerdings verbreiten sich dadurch auch Falsch-Nachrichten in Windeseile.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 03. Juli 2018 um 12:25 Uhr, 14:26 Uhr und 19:24 Uhr.