Der IWF nennt die gegenwärtige Wirtschaftslage in Europa "delikat."

IWF zur Lage in Europa Deutschland soll mehr Geld ausgeben

Stand: 13.04.2019 09:17 Uhr

Europas Wirtschaft ist in einer prekären Situation - doch aus Sicht des IWF gibt es Grund zu Optimismus. Die Forderung, Deutschland solle wieder mehr Geld investieren, sorgt für Ärger bei Finanzminister Scholz.

Aus Sicht des Internationalen Währungsfonds ist die Weltwirtschaft in einem "delikaten Moment" - und das gilt besonders für Europa. Das Wachstum hat sich hier kräftig verlangsamt, stärker als vom IWF erwartet.

Der zuständige IWF-Direktor Poul Thomsen zählte eine ganze Reihe von Problemen auf: Weniger internationale Nachfrage, Handelsstreitigkeiten, der unklare Brexit, aber auch die neuen Abgasregeln und ihre Folgen für die deutsche Autoindustrie.

Gleichzeitig wollte Thomsen das Bild nicht zu schwarz malen: Der IWF erwartet, dass es in diesem Jahr wieder stärker aufwärts geht: "Das liegt zum Teil daran, dass die scharfe Verlangsamung temporäre Gründe hatte. Zum Beispiel die Probleme der Autoindustrie in Deutschland, die sich bereits wieder entspannen. Außerdem erwarten wir, dass die Nachfrage durch die starken Arbeitsmärkte unterstützt wird. Die gute Nachricht ist, dass Beschäftigung und Löhne in den meisten Ländern weiter steigen."

IWF wiederholt altbekanntes Mantra

Das gilt auch für Deutschland. Thomsen sagte, er hoffe, dass die Löhne in Deutschland weiter zulegen. Das könnte zum Beispiel helfen, den hohen deutschen Exportüberschuss weiter zu reduzieren. Er wiederholte die alte Forderung des IWF, Deutschland stehe finanziell so gut da, dass es ruhig mehr Geld investieren könne.

Eine Forderung, die Finanzminister Olaf Scholz nicht mehr hören will: "Ab und zu muss man seine Dauerbrenner mal, statt dass man das Flugblatt vom letzten Jahr wieder rausholt, beiseite packen und einen kurzen Blick in die Wirklichkeit, in der man lebt, machen. Dann wird man feststellen, dass Deutschland eine expansive Haushaltspolitik macht. Das wird auch registriert, und das findet auch statt."

Scholz kann die Kritik nicht mehr hören

Scholz sagte, man habe Steuern gesenkt, Hilfen für Familien erweitert und investiere mehr - man arbeite hart daran, das Geld auszugeben. Außerdem stünden in den kommenden Jahren wichtige Investitionen an: Die Autohersteller müssten ihre Produktionsanlagen für klimafreundlichere Autos umbauen und die Energiewirtschaft in neue Energien investieren. Überhaupt sei es doch nicht verkehrt, dass Deutschland als wichtige Volkswirtschaft so viel gespart habe - damit sei man in einer Krise in der Lage, alles Erforderliche zu tun.

IWF-Direktor Thomsen sagte, er verstehe den Finanzminister. Deutschland habe in der Tat im laufenden Haushalt etwas getan. Trotzdem: "Unser Argument ist: Mit dem steuerlichen Spielraum, den Deutschland hat, können wir uns in Zukunft einen anhaltenden Anstieg an Reformen vorstellen, die die Ausgaben erhöhen. Ich stimme dem Finanzminister zu, Deutschland macht in diesem Jahr relativ viel, aber wir wollen mehr sehen."

Deutschlands Luxus-Problem

Deutschland hat ein Luxus-Problem, wenn man das mit der Situation in anderen Euro-Ländern vergleicht. Hier mahnt der IWF weiter, dass sie dringend ihre Schulden angehen müssten. Thomsen erklärt: "Mitgliedsländer mit vergleichsweise hohen Schulden, wie Frankreich, Italien oder Spanien, haben nur wenig Fortschritte gemacht, die Schulden zu reduzieren. Es ist wichtig, dass ihre Steuerpolitik weiter darauf zielt, Schulden zu reduzieren."

Besonders Italien bleibt ein Sorgenfall: die Schulden und die strukturelle Arbeitslosigkeit sind hoch, die Produktivität ist niedrig. Der IWF fordert strukturelle Reformen, zum Beispiel auch, dass die Löhne innerhalb Italiens künftig regional ausgehandelt werden.

Grundsätzlich lautet der Appell des Währungsfonds an die Politiker, keinen Schaden anzurichten und Fehler zu vermeiden. Denn von ihnen hängt ab, wie es mit entscheidenden Gefahren für die Weltwirtschaft weitergeht, den Handelsstreitigkeiten oder dem Brexit.

Jan Bösche, Jan Bösche, ARD Washington, 13.04.2019 00:12 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 13. April 2019 um 06:09 Uhr.