Protestierende in einer Shoppingmall in Hongkong

Hongkong Schwächen die Proteste die Wirtschaft?

Stand: 19.01.2020 04:28 Uhr

Der Dauerprotest der Demokratiebewegung macht der Wirtschaft Hongkongs zu schaffen - aber nicht so stark, wie es die chinesische Führung behauptet, sagen Analysten und warnen vor Stimmungsmache.

Die Demokratie-Proteste in Hongkong seien für die Wirtschaft der Finanzmetropole eine Katastrophe: So berichten es die vollständig vom Staat kontrollierten Medien in Festlandchina häufig. Auch Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam spricht gerne von einer "sehr ernsthaften Lage", in der sich die autonom regierte Stadt angesichts der Proteste befinde.

Seit mehr als sieben Monaten dauern die Hongkonger Massenproteste inzwischen an. Sie richten sich gegen den wachsenden Einfluss der kommunistischen Zentralregierung Chinas. Und tatsächlich machen die Proteste der Wirtschaft zu schaffen. Ende vergangenen Jahres rutschte die frühere britische Kolonie sogar in eine Rezession.

Leere Shoppingmalls

Betroffen sind vor allem Handel und Dienstleistungen. So bleiben Touristen und Geschäftsleute weg, vor allem die aus Festlandchina. Einkaufsstraßen und Shoppingmalls sind leerer als sonst. Hotels bekommen ihre Zimmer nicht voll. Besonders zu spüren bekommt den Rückgang der Besucher der Hongkonger Einzelhandel. In den vergangenen Monaten sackten die Umsätze im Vorjahresvergleich zum Teil um rund ein Viertel ab.

Dieser Trend sei bedauerlich und ärgerlich für die betroffenen Ladenbesitzer und Händler, sagt der Hongkonger Ökonom Law Ka-Chung. Aber ein echter Grund zur Sorge oder gar eine Gefahr für Hongkongs Wirtschaft generell sei dies bei weitem nicht. Die riesige Finanzbranche etwa und der internationale Großhandel seien bisher kaum betroffen.

Der Einzelhandel macht nur fünf Prozent der Hongkonger Wirtschaftsleistung aus. Diese Tatsache gehört zur Gesamtbetrachtung einfach dazu. Die Hongkonger Regierung nennt zwar korrekte Zahlen, aber sagt eben nicht die ganze Wahrheit.
Eine Frau steht in einem während Protesten geschlossenen Geschäft in einer Shoppingmall in Hongkong.

Von den Protesten ist vor allem der Einzelhandel betroffen.

In Ungnade gefallener Chefvolkswirt

Law Ka-Chung war bis Herbst vergangenen Jahres Chefvolkswirt der staatlich-chinesischen Bank of Communications in Hongkong. Regelmäßig wurde er zu Radio- und Fernseh-Talkshows eingeladen. Seine klaren Worte und Analysen werden geschätzt. Regelmäßig kritisiert Law Ka-Chung Chinas Staats- und Parteiführung und die von ihr eingesetzte Regierung Hongkongs.

Im Oktober verließ er allerdings die chinesische Großbank, nach mehr als 14 Jahren. Der Abschied sei nicht ganz freiwillig gewesen, sagt Law. Grund sei ein von ihm verfasster Beitrag in einer Fachzeitschrift gewesen, erzählt er. "Am Ende meines Artikels schreibe ich, dass die Hongkonger Regierung und die Staats- und Parteiführung in Peking dieses und jenes falsch machen und dass das negative Folgen haben könnte für Hongkong." Diese beiden Absätze hätten als "politisch unkorrekt" gegolten, so Law Ka-Chung. "Meine Bank forderte mich auf zu kündigen. Das habe ich getan."

Stimmungsmache mit negativen Zahlen

Die Bank of Communications will sich zu den Umständen des Abgangs ihres früheren Chefvolkswirtes nicht äußern. Law Ka-Chung selbst sieht sich als Opfer der allgegenwärtigen Angst vor Chinas Staats- und Parteiführung in Hongkong.

Ich weiß von vielen Ökonomen, die über nichts mehr reden, was auch nur irgendwie mit der Politik Pekings oder der Hongkonger Regierung zu tun hat. Sie wollen offensichtlich auf Linie bleiben mit der Führung in Peking und mit der Hongkonger Regierung.

Die Regierung der Sonderverwaltungszone wiederum versuche seit Monaten, mit negativen Wirtschaftszahlen Stimmung zu machen, sagt der frühere Spitzenbanker. So solle den Menschen in der früheren britischen Kolonie Angst gemacht werden, damit diese die Protestbewegung nicht mehr unterstützen. Dass diese Taktik aufgeht, glaubt Law Ka-chung nicht. Die Proteste würden weitergehen - allen schlechten Wirtschaftszahlen zum Trotz.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 18. Januar 2020 um 15:38 Uhr.