Nach Terroranschlägen von Paris Frankreich bittet offiziell um Beistand

Stand: 17.11.2015 12:43 Uhr

Folgt aus den Terroranschlägen von Paris jetzt der "Bündnisfall" für die EU? Frankreichs Verteidigungsminister Le Drian bat bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen offiziell um Hilfe. Dabei könnte es auch um Unterstützung bei den französischen Militäreinsätzen gehen.

Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian hat nach den Terroranschlägen von Paris offiziell um die Unterstützung der anderen EU-Staaten gebeten. Frankreich wünsche auf bilateraler Ebene und "im Rahmen ihrer Möglichkeiten" Unterstützung der EU-Länder im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS), sagte er bei einem Treffen mit den Verteidigungsministern der Union.

Er könne sich Unterstützung der anderen europäischen Staaten bei den französischen Militäreinsätzen in Syrien, dem Irak und Afrika vorstellen, sagte der Minister. Alle EU-Staaten hätten Beistand zugesagt. Alle hätten erklärt, dass ganz Europa durch die Anschläge betroffen sei. "Wir alle sind in diesen Zeiten Franzosen", so Le Drian. Vor allem in bilateralen Gesprächen solle in den nächsten Wochen geklärt werden, wie genau die EU-Partner helfen könnten. Außergewöhnliche Situationen erforderten außergewöhnliche Antworten.

Le Drian berief sich dabei auf Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages. Dort heißt es:

Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung.

ARD-Korrespondentin Bettina Scharkus spricht bei der Berufung auf den Artikel von einer "Premiere". Dieser Vertragsbestandteil sei noch nie bemüht worden, sagte sie in der tagesschau. Noch sei es etwas unkonkret, wie die Hilfe aussehen soll, aber das werde sich ihrer Meinung nach in den nächsten Stunden und Tagen zeigen.

Entlastung der Franzosen in Mali?

Die Äußerungen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen deuten daraufhin, dass es um eine militärische Entlastung Frankreichs in anderen Ländern gehen könnte, damit sich Paris auf den Anti-Terror-Kampf in Syrien konzentrieren könnte. Heute sei noch nicht der Tag der konkreten Entscheidungen, sagte sie. "Heute ist der Tag des Zuhörens."

Im Vorfeld des Treffens hatte sie erklärt, es werde derzeit geprüft, das deutsche Engagement bei der UN-Mission in Mali auszuweiten. Eine ähnliche Ankündigung hatte sie bereits im Oktober gemacht und darauf verwiesen, dass in Mali vor allem Einsatzkräfte gebraucht würden, die aufklären, wo sich Terroristen und Milizen bewegen. Zurzeit sind in Mali etwa 200 Bundeswehrsoldaten stationiert.

Beobachter schätzen, dass Frankreichs Präsident François Hollande den Weg über die EU-Beistandsklausel gegangen ist, weil ihm zunächst um einen eher symbolischen Beitrag der Solidarität gegangen sei. Denkbar seien auch Maßnahmen wie ein intensiverer Austausch von Geheimdienstinformationen oder verstärkte gemeinsame Grenzkontrollen. Ohnehin wäre die EU momentan militärisch ohne die NATO gar nicht oder nur sehr begrenzt handlungsfähig. Im fraglichen Artikel 42 wird zudem ausdrücklich betont, dass die NATO das Fundament der kollektiven Verteidigung bleibe.

Hollande will internationale Koalition gegen den Terror

Hollande hatte am Montag angekündigt, dass er auch den UN-Sicherheitsrat anrufen und eine weltweite Koalition gegen den IS bilden will. Dazu möchte er sich mit US-Präsident Barack Obama und Kremlchef Wladimir Putin treffen, um eine einheitliche Strategie in Syrien und gegen den IS zu erreichen.

Die USA reagierten allerdings zurückhaltend. Das US-Verteidigungsministerium lehnte es ab, sich beim Kampf gegen den IS mit Moskau abzustimmen: "Wir koordinieren unsere Operationen nicht mit den Russen und wir kooperieren nicht mit ihnen", sagte Pentagon-Sprecher Peter Cook auf CNN. Putin hatte beim G20-Gipfel im türkischen Belek erklärt, er hoffe weiter auf eine große internationale Koalition gegen den Terrorismus in Syrien.

Holger Romann, H. Roman, ARD Brüssel, 17.11.2015 13:00 Uhr

Mit Informationen von Holger Romann, ARD-Hörfunkstudio Brüssel.