Hintergrund

Ex-Kolonien Was Afrika für Frankreichs Wahlkampf bedeutet

Stand: 27.04.2017 02:58 Uhr

Marine Le Pen hatte mitten im Wahlkampf den westafrikanischen Staat Tschad besucht, Emmanuel Macron Algerien. Auch wenn es außerhalb Frankreichs kaum wahrgenommen wird: Für die Politik in Frankreich ist Afrika ein wichtiges Thema.

Tiken Jah Fakoly ist einer der einflussreichsten Musiker Westafrikas - und er hat eine klare Meinung zur Rolle Frankreichs auf dem Kontinent: Frankreich reiße Witze über Afrika, singt er sinngemäß. Und Frankreich töte Afrikaner, stehle die Rohstoffe und liefere Waffen, damit die Bürgerkriege nicht aufhören.

Frankreichs offizielle Position zu seiner Afrikapolitik klingt in den Worten von Präsident François Hollande so: "Frankreich interveniert nicht in Afrika, um eigene Interessen zu verfolgen. Auch nicht, um die politischen Regeln oder einzelne Regierungen zu verändern. Frankreich unterstützt Afrika, weil wir glauben, dass es großes Potential hat."

Französisch blieb als Sprache Pflicht

Frankreich ist vor allem in seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien präsent. Die "Grande Nation" hat beim oft schmerzhaften Prozess der Entkolonialisierung in den 60er- und 70er-Jahren nie die eigenen Interessen aus dem Auge verloren: Französisch blieb als Sprache Pflicht.

Auch heute noch existieren zwei Währungsverbünde mit insgesamt 15 afrikanischen Staaten. Deren Reserven liegen bei der französischen Zentralbank. Wem die gemeinsame Währung des Franc-CFA mehr Vorteile bietet - Frankreich oder den afrikanischen Staaten - ist ziemlich umstritten. Und Frankreichs Konzerne sind massiv präsent in den Ex-Kolonien: die Baufirma Bolloré, der Erdöl-Riese Total oder der Telekommunikations-Konzern Orange.

Stefan Brüning, der sich bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik mit der französischen Afrika-Politik befasst, sagt dennoch über den Einfluss der Franzosen: "Ich glaube, er ist tendenziell eher zurückgegangen. Aber es gibt nach wie vor ausgeprägte, klientelistisch organisierte Verbindungen zwischen Paris und den ehemaligen Kolonien."

China, USA, EU - die Konkurrenz wächst

Uran aus Niger und Gabun, Kakao von der Elfenbeinküste, Aufträge für französische Firmen in vielen verschiedenen Staaten West- und Zentralafrikas. Etwa 9000 französische Soldaten sind auch dort stationiert. Offizieller Auftrag: Kampf gegen Terroristen und Ausbildung afrikanischer Truppen. Aber auch Philippe Hugon, französischer Afrika-Spezialist, weist darauf hin, dass das Engagement teilweise zurückgeht. Frankreich engagiere sich weniger bei Handel, Finanzen und Investitionen. "Im Gegensatz dazu hat es seinen Einfluss in der Währungspolitik und der Militärpräsenz beibehalten."

Kakao-Bohnen liegen zum Trocknen in einem Lagerhaus in San-Pedro, Elfenbeinküste.

Kakao aus der Elfenbeinküste ist nur eines der Produkte, die für Frankreich interessant sind.

Die Konkurrenz wächst: China arbeitet eng mit vielen afrikanischen Staaten zusammen. Die USA haben sich in den vergangenen Jahren stärker engagiert. Und: Frankreichs Großmachtrolle kostet Geld. Militärinterventionen und Entwicklungszusammenarbeit sind teuer. Frankreich hat angesichts seiner andauernden wirtschaftlichen Probleme zunehmend Schwierigkeiten, dieses Geld aufzubringen.

Schrittweise rückt die Europäische Union in der Afrikapolitik in den Vordergrund. Stefan Brüne von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sagt, das würde bedeuten, "dass ein Teil der Pariser Elite seine bisherigen Einflussmöglichkeiten verlieren würde. Und ich sehe nicht ab, dass die dazu bereit sind."

"Lassen Sie uns diese Nabelschnur kappen"

Einfluss-Verlust und das Risiko, einen Teil seines Großmacht-Anspruches einzubüßen - das gefällt niemandem in der politischen Elite Frankreichs. In den vergangenen Jahren haben mehrere Präsidentschaftskandidaten und Präsidenten versprochen, die Afrikapolitik zu verändern. Vom Hegemonial-Verhalten herunterzugehen auf Augenhöhe mit den afrikanischen Staaten. Davon war dann in der praktischen Politik wenig zu sehen.

Frankreichs Präsident François Holland und Guineas Staatschef Alpha Condé

Zu Hause klang Guines Präsident Condé noch kämpferisch - bei seinem Besuch bei Hollande in Paris eher nicht.

Umgekehrt plädieren Afrikas Mächtige vor heimischem Publikum gerne für mehr Eigenständigkeit gegenüber der Ex-Kolonialmacht. Der amtierende Präsident der Staatengemeinschaft Afrikanische Union, Guineas Staatschef Alpha Condé, tat genau das kürzlich mal wieder: "Wir sind nach wie vor zu stark mit der ehemaligen Kolonialmacht verbunden“, sagte Condé. "Lassen Sie uns diese Nabelschnur kappen." Nur zwei Wochen später war Condé zu Besuch in Paris. Und bedankte sich dort bei Präsident Hollande, der viel für Afrika getan habe.

Zurückrudern in angestammte Gewässer der Afrikapolitik

Emmanuel Macron, der politische Komet im französischen Wahlkampf, erweckt in seiner Kampagne auch wieder mal den Eindruck, Frankreichs Politik gegenüber den ehemaligen Kolonien verändern zu wollen. Bei seinem Besuch in der ehemaligen französischen Kolonie Algerien im Februar sagte er: "Die Kolonialisierung ist Teil der französischen Geschichte. Sie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, eine wahre Barbarei. Diesem Teil der Vergangenheit muss man sich stellen und sich bei denen entschuldigen, denen wir das angetan haben."

Der Präsidentschaftskandidat sorgte damit für einen ziemlichen Sturm der Entrüstung in Frankreich. Und ruderte deshalb rasch zurück in die angestammten Gewässer französischer Afrikapolitik.

Macron bei einem Besuch in der Basilika von Algier

Macron bei einem Besuch in der Basilika von Algier - eine Reise mitten im Wahlkampf.

Jens Borchers, J. Borchers, ARD Rabat, 27.04.2017 00:38 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Nordwestradio am 27. April 2017 um 07:47 Uhr