Russische Polizisten nehmen einen Protestierenden fest, der ein Plakat mit der Aufschrift "Nein zum Krieg in der Ukraine. Putin soll weg" in den Händen hält

Angriff auf die Ukraine Russische Stimmen gegen Krieg werden lauter

Stand: 26.02.2022 15:30 Uhr

Wer in Russland auf der Straße gegen den Angriff auf die Ukraine protestieren will, muss mit einer Festnahme rechnen. Trotzdem mehren sich im Land die Stimmen, die genau das fordern - in Petitionen oder in sozialen Netzwerken.

Immer mehr Russen rufen Kremlchef Wladimir Putin in Petitionen zur sofortigen Beendigung des Krieges gegen die Ukraine auf. So haben sich zahlreiche Mediziner in einem offenen Brief an den Präsidenten gewandt: "Wir, russische Ärzte, Krankenschwestern und Sanitäter, sind entschieden gegen kriegerische Handlungen, die von den russischen Streitkräften auf dem Gebiet der Ukraine vollzogen werden", heißt es in dem Schreiben mit anfänglich etwa 300 und mittlerweile mehreren Tausend Unterschriften.

"Wir haben geschworen, allen Menschen, unabhängig von ihrer Nationalität, Religion oder ihren politischen Ansichten, zu helfen. Doch kriegerische Handlungen werden viele Leben nehmen und viele Schicksale zerstören, und wir werden nicht in der Lage sein, dem entgegenzuwirken - egal, wie sehr wir uns bemühen."

Viele von ihnen hätten Verwandte und Freunde in der Ukraine, schreiben die Mediziner. "Unter ihnen ist keiner, dem das Blutvergießen in irgendeiner Weise nutzen würde." Das menschliche Leben sei von unschätzbarem Wert. "Um einen Menschen zu töten, genügt ein Augenblick, während die Heilung Jahre dauern kann", heißt es in dem Brief weiter.

Auch Dutzende russische Hilfsorganisationen veröffentlichten einen offenen Brief an Putin mit der Bitte, den Krieg zu beenden. "Krieg ist eine humanitäre Katastrophe, die Schmerz und Leid vermehrt. (…) Wir halten gewaltsame Methoden zur Lösung politischer Konflikte für unmenschlich und rufen Sie zur Beendigung des Feuers und zum Beginn der Verhandlungen auf."

Abgeordneter: "Wollte keinen Krieg auslösen"

Auch ein Abgeordneter der Kommunistischen Partei forderte ein Kriegsende. Er habe mit seiner Stimme im Parlament zur Anerkennung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk (DNR/LNR) als unabhängige Staaten keinen Krieg auslösen wollen. "Ich denke, dass der Krieg umgehend beendet werden sollte. Indem ich für die Anerkennung der DNR/LNR votierte, habe ich für Frieden gestimmt und nicht für Krieg", meinte Michail Matwejew. "Dafür, dass Russland ein Schutzschild wird, damit sie den Donbass nicht bombardieren - und nicht, um Kiew zu bombardieren."

In den sozialen Netzwerken äußerten sich zudem viele Kultur- und Medienschaffende aber auch Personen des öffentlichen Lebens und einfache Bürger entsetzt über den Krieg gegen die Ukraine.

Zahlreiche Festnahmen bei Protesten

Vor der Teilnahme an Straßenprotesten haben aber viele Russen Angst. Bei den Demonstrationen gegen Putins Krieg gab es seit Donnerstag mehr als 2000 Festnahmen.

Die russischen Behörden sprechen von einer militärischen Operation und gehen gegen die Verwendung des Wortes "Krieg" in den Medien vor. Allen Medien, die den Begriff nutzen, wird mit der Abschaltung gedroht. In einem großen Wohn- und Arbeitskomplex im Zentrum von Moskau, in dem neben russischen Beamten auch viele Diplomaten und Auslandskorrespondenten leben und arbeiten, sind schon seit Tagen ausländische Fernsehsender gekappt. Die Gebäudeverwaltung begründete das mit einem Ausfall der Satellitenanlagen und bot eine Freischaltung russischer Staatssender an.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 24. Februar 2022 um 22:15 Uhr.