Zerstörtes Haus in der Region Charkiw | dpa
Reportage

Gegenoffensive der Ukraine Suche nach Toten und Minen in Charkiw

Stand: 14.09.2022 08:25 Uhr

Die ukrainischen Truppen haben die Gegend um Charkiw wieder zurückerobert. Nun zieht der Katastrophendienst in die befreiten Gebiete - um in den Trümmern Minen zu suchen und Tote zu bergen.

Von Andrea Beer, ARD Ukraine, zzt. in Charkiw

Ein langer Konvoi des ukrainischen Katastrophendienstes schlängelt sich durch Charkiw - Rettungsdienst, Feuerwehr, Laborwagen, Lastwagen mit Kränen und Bulldozern. Sie kommen aus verschiedenen Regionen der Ukraine und sind auf dem Weg in die befreiten Gebiete.

Auf dem großen Platz vor der Regionalregierung im Zentrum von Charkiw kommen die Fahrzeuge zum Stehen. Sie gehören mit zu den ersten, die in den befreiten Gebieten südlich und südöstlich von Charkiw arbeiten, sagt Anatoli Torianik, Chef des Katastrophenschutzes der Region Charkiw. "Sie sollen das Gelände entminen, explosionsverdächtige Objekte finden, nach Toten suchen oder auch Trümmer von zerstörten Häusern räumen", erklärt er.

Während sich die Männer auf dem Platz begrüßen, gibt es Luftalarm, und alle eilen in die nahe gelegene U-Bahn-Station.

Leben in den Trümmern

Auch Natalia wartet hier auf das Ende des Luftalarms. Die schmale braunhaarige Frau arbeitet an der nahegelegenen Universität. "Der Unterricht ist online", meint sie leise, "doch ich gehe hin, wann immer es geht."

Sie lebt im Stadtteil Saltivka im Nordosten von Charkiw, der seit Monaten von der russischen Armee beschossen wird. Ruinen und zerstörte Häuser prägen dort das Bild. Aber überall würden ja noch Menschen leben, sagt Natalia. "Es ist für alle schwer. Was essen angeht, so haben wir alles. Heizung brauchen wir im Moment nicht, Strom haben wir wieder, Wasser haben wir auch. Es kommt auf die Gegend an, natürlich ist es in Saltivka besonders schlimm."

Der Luftalarm ist zu Ende, und alle gehen wieder ihrer Wege. Auch die Angehörigen des ukrainischen Katastrophendienstes versammeln sich oben auf dem großen Platz. Sie stellen sich in einer Reihe nebeneinander auf. Es gibt einen wichtigen Fototermin, zu dem Oleh Sinjehubow gekommen ist, der Leiter der regionalen Militärverwaltung des Gebietes Charkiw.

Aufbauen, bevor der Winter kommt

"Wir müssen so viel wie möglich Minen räumen und die kritische Infrastruktur wieder zum Laufen bringen", erklärt Sinjehubow. "Es gibt dort keine Stromleitungen, kein Licht, kein Wasser, kein Internet, keinen Telefondienst. Das müssen wir jetzt schnell wieder einrichten."

In der Region Charkiw wird es schon merklich kühler in diesen Tagen, und Sinjehubow macht noch auf ein weiteres Thema aufmerksam, das allen unter den Nägeln brennt: "Wir müssen uns auf den Winter vorbereiten. Wo es weniger Schäden gibt, wo etwa die Fenster fehlen oder das Dach, da müssen wir den Leuten eine Finanzierung ermöglichen, damit sie ihre Häuser reparieren. Wir müssen die Gebiete halten, damit der Feind nicht einmal daran denkt, sie wieder zu besetzen."

Verminte Gebiete noch zu gefährlich

Bei der Minenräumung habe es leider Opfer gegeben, fügt Sinjehubow noch hinzu. "Nach meinen Informationen sind zwei Menschen auf eine Antipersonenmine getreten. Und das sind Profis!" Zivilisten lassen er und sein Team daher noch nicht in die verminten Gebiete zurück. Das sei noch zu früh, noch zu gefährlich.

Der lange Konvoi des Katastrophenschutzes setzt sich dann in Bewegung. Denn die Männer sollen so schnell wie möglich anfangen in den befreiten Gebieten.

Über dieses Thema berichtete NDR Info am 14. September 2022 um 05:03 Uhr.