Pedro Sánchez

Regierungsbildung in Spanien Parlament debattiert über weitere Sánchez-Amtszeit

Stand: 15.11.2023 11:22 Uhr

Trotz landesweiter Proteste gegen die geplante Amnestie katalanischer Separatisten will sich Spaniens Ministerpräsident Sánchez im Amt bestätigen lassen. Nach langen Verhandlungen hat er genügend Unterstützer.

Von Silke Diettrich, WDR, ARD Madrid

Bald vier Monate ist die spanische Parlamentswahl nun schon her, und es gibt noch immer keine neue Regierung. Nachdem Wahlsieger Núñez Feijoo von der konservativen Volkspartei mit seinem Versuch gescheitert ist, eine Regierung zu bilden, wird am Donnerstag der geschäftsführende sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez seinen ersten Anlauf nehmen. Die Debatte über die neue Regierung soll heute beginnen.

Und es könnte gleich klappen, denn die Verhandlungen mit anderen Parteien sind abgeschlossen, Sánchez hätte dann die notwendigen Stimmen beisammen. Aber der Preis ist hoch: Hunderte katalanische Separatisten sollen Straffreiheit bekommen, mit einem neuen Amnestiegesetz. Dagegen laufen vor allem die Konservativen Sturm. Sie suchen Unterstützung in Europa und organisieren Massenproteste in Spanien. 

"Sánchez hat uns alle belogen"

"Lang lebe Spanien" singen die Demonstranten. "Ein geeintes Spanien, wohlgemerkt", findet auch die Rentnerin Maria Fernandez. Sie ist mit ihrer Familie genau wie Zehntausende andere Menschen in der Innenstadt von Madrid auf die Straße gegangen, um gegen den Sozialisten Sánchez zu protestieren: "Die Mehrheit will, dass Spanien vereint bleibt und alles andere können wir nicht tolerieren. Pedro Sánchez hatte gesagt, er werde sich nicht einlassen mit den Separatisten und hat es jetzt doch getan. Er hat uns alle betrogen."

Denn um ausreichend Stimmen für die Wiederwahl zu bekommen, muss Sánchez auch auf die Stimmen der Parteien zurückgreifen, die die Unabhängigkeit von Katalonien befürworten. Die haben für ihre Unterstützung weitreichende Forderungen gestellt: Schulden in Milliardenhöhe sollen erlassen werden. Und Hunderte Menschen, die vor Jahren verurteilt wurden, weil sie die Abspaltung Kataloniens vorangetrieben hatten, sollen nun straffrei davonkommen. Mit einem neuen Amnestiegesetz.

Opposition will Neuwahl

Die konservative Opposition läuft Sturm und will mit allen Mitteln eine Neuwahl erreichen. Mitglieder von Spaniens oberstem Richtergremium wollen rechtliche Schritte gegen das Gesetz einleiten.

Der Deal, den Sánchez eingegangen ist, sei ein gravierender Angriff auf den Rechtsstaat, sagt Isabel Díaz Ayuso. Sie ist die Regionalpräsidentin von Madrid und zugleich das weibliche Aushängeschild der konservativen Partei PP in Spanien: "Pedro Sánchez hat all das provoziert, weil er nicht genügend Stimmen bekommen hat. Das entspricht nicht den Wahlergebnissen. Er versucht etwas zu legitimieren, was nicht legitim ist. Das führt uns wieder in eine Diktatur, die wir doch eigentlich hinter uns gelassen hatten."

Die PP übertreibe und sei ein schlechter Verlierer, sagt der Politologe Óscar Martínez Tapia. Die Konservativen würden die Polarisierung im Land immer weiter vorantreiben: "Ich möchte daran erinnern, dass die Amnestie keine verfassungswidrige Sache ist, sie ist nichts Außergewöhnliches in einer Demokratie. Erinnern wir uns an die Gewalttaten in Nordirland. Auch für diese damals Kriminellen hat es in Großbritannien eine Amnestie gegeben. Straffreiheit ist auch in der Verfassung verankert und nimmt dort einen legalen Raum ein."

"Konflikt mit Katalonien heilen"

Den Vorwurf, Stimmen gekauft zu haben und dafür die Einheit des Landes aufs Spiel zu setzen, weisen auch die Sozialisten weit von sich. In einer Pressekonferenz sagte der Minister für das Präsidialamt, Félix Bolaños: "Dieses Gesetz hat nur ein einziges Ziel: Es soll die Wunde in unserem Land, den Konflikt mit Katalonien, heilen. Und uns ermöglichen, in die Zukunft zu blicken, ohne uns von einer Krise leiten zu lassen, unter der wir in Spanien schon viel zu lange gelitten haben."

Die Konservativen aber wollen weiterhin auf die Straße gehen und haben sich auch schon hilferufend an Brüssel gewandt. Auch wenn Sánchez offiziell am Donnerstag ins Amt gewählt werden würde, stehen weiterhin unruhige politische Zeiten an in Spanien.

Silke Diettrich, ARD Madrid, tagesschau, 15.11.2023 10:05 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. November 2023 um 06:27 Uhr.