Ein Panzer der russischen Armee auf dem Roten Platz in Moskau bei den Proben zur Militärparade anlässlich des Endes des Zweiten Weltkriegs.

Russische Propaganda Überall Nazis und Faschisten

Stand: 22.02.2023 10:35 Uhr

Russland rechtfertigt den Überfall auf die Ukraine als Akt der Selbstverteidigung gegen Nazis in der Ukraine und Faschisten im Westen. Diese Propaganda hat eine lange Tradition.

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist nach dem Narrativ des Kreml ein Akt der Selbstverteidigung, die ukrainische Regierung in Kiew nichts weiter als ein Nazi-Regime. Die russische Propaganda wird nicht müde zu verbreiten, dass ukrainische Faschisten Leib und Leben russischstämmiger Menschen bedrohten.

Wie Russlands Präsident Wladimir Putin, als er bei einem Treffen mit Vertretern der heimischen Luftfahrtbranche behauptete, nach dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Jahr 2014 hätten ukrainische Nationalisten einen Krieg gegen Russland vom Zaun gebrochen: "Damals hat man mit dem Krieg begonnen. Er hat acht Jahre gedauert mit dem Ziel, die Menschen zu vernichten, die mit der russischen Kultur, mit der russischen Sprache verbunden sind."

Euromaidan entscheidend für Kreml-Narrativ

Der Euromaidan in Kiew, in dessen Folge die pro-russische Regierung Janukowitsch aus dem Amt gejagt wurde, spielt nach Einschätzung von Elisaweta Gaufmann, Professorin für russischen Diskurs und Politik an der Universität Groningen, eine entscheidende Rolle beim Kreml-Narrativ, in Kiew herrsche ein Nazi-Regime.

Dass sich an der pro-europäischen Protestbewegung neben vielen demokratischen Kräften auch Nationalisten beteiligt hätten, habe die russische Propaganda für ihre Zwecke genutzt, so Gaufmann: "Wenn man damals russisches Fernsehen geguckt hat, bekam man den Eindruck, als hätte nur der rechte Sektor am Euromaidan teilgenommen." Da der rechte Sektor laut russischem Fernsehen die einzige Kraft hinter dem Maidan gewesen sei, sei es natürlich auch einfacher gewesen, die ganze Bewegung als nazistisch oder faschistisch darzustellen.

Jeder Feind wird zum Nazi erklärt

Das vorgeschobene Argument, sich vor Nazi-Horden schützen zu müssen, habe für den Kreml schon bei der Annexion der Krim und beim Schüren gewaltsamer Unruhen in der Ostukraine herhalten müssen. Dass diese Propaganda überhaupt verfangen konnte, habe viel tiefere Wurzeln, so die Osteuropa-Historikerin Veronika Wendland vom Herder-Institut in Marburg:

Dazu muss man wissen, dass schon im Stalinismus mit dem Nazi- oder Faschistenbegriff prinzipiell jeder belegt wurde, der als Feind erklärt wurde.

Die Europäische Union als "Viertes Reich"

Auch die vor allem in der Westukraine verbreitete Verehrung des ukrainischen Nationalistenführers Stepan Bandera spiele der russischen Propaganda in die Hände. Mittlerweile würden aber auch diejenigen zu Nazis erklärt, die die Ukraine unterstützten. Schon während des Euromaidans sei die Europäische Union im russischen Staatsfernsehen mitunter als "Viertes Reich" diffamiert worden, so Gaufmann: "Jetzt ist es noch populärer geworden zu sagen, dass 1941 nicht nur die Nazis, sondern ganz Europa gegen die Sowjetunion gerichtet war."

Russlands Außenminister Sergej Lawrow ging kürzlich soweit, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen Rassismus vorzuwerfen. "Ursula von der Leyen erklärte, dass das Ende des Krieges eine Niederlage Russlands werden soll und zwar der Art, dass die russische Wirtschaft sich viele Jahrzehnte nicht davon erholen soll. Ist das kein Rassismus, kein Nazismus? Kein Versuch der Endlösung der russischen Frage?"

Putin zieht Vergleich zum Zweiten Weltkrieg

Anlässlich des 80. Jahrestags des Sieges der Roten Armee in der Schlacht von Stalingrad zog Putin den direkten Vergleich zum Krieg in der Ukraine und nahm Bezug auf den Beschluss der Bundesregierung, "Leopard 2"-Panzer an die Ukraine zu liefern: "Man droht uns wieder mit deutschen Panzern - "Leopard"-Panzern, deren Seite mit Kreuzen versehen sind. Und man will erneut gegen Russland auf ukrainischem Boden kämpfen - durch die Hände der Hitler-Nachfolger, der Bandera-Anhänger."

Die Verdrehung historischer Tatsachen, um das eigene Handeln zu rechtfertigen, gehöre in Russland mittlerweile zum Alltag, so Osteuropa-Historikerin Wendland. Die immer schriller werdende Propaganda sei aber auch ein Zeichen von zunehmender Hilflosigkeit und stoße an Grenzen: "Es verfängt nicht richtig bei den russischen Bürgern. Man merkt nicht diesen Geist des Volkskrieges gegen den Gegner, wie das im Zweiten Weltkrieg war."

Der Krieg braucht die Unterstützung der Bevölkerung

Auch deswegen habe sich die russische Propaganda gewandelt. Nun zeichne man das Bild einer Ukraine, die vom Westen insbesondere der NATO missbraucht würde, um dort gegen Russland Krieg zu führen, so wie es der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolaj Patruschew, erst kürzlich formulierte:

Im 21. Jahrhundert führt der kollektive Westen einen Feldzug gegen Russland, in dem er das Marionetten-Regime in Kiew benutzt.

Dennoch - es sei verkürzt zu behaupten, der russische Angriffskrieg in der Ukraine sei nur ein Krieg des Kreml, so Wendland. Denn Putin sei auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen: "Ohne eine Grundunterstützung der Bevölkerung kann auch diese Elite den Krieg nicht so führen, wie sie ihn führen will."

Stephan Laack, WDR, 22.02.2023 08:34 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 22. Februar 2023 um 11:21 Uhr.