Attentat auf Fico Ein Schock mit Vorgeschichte
Der slowakische Regierungschef Fico wurde bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt. Nach einer OP soll er wieder bei Bewusstsein sein. Das Land diskutiert über die Polarisierung der Gesellschaft.
Das Video des mutmaßlichen Schützen macht schon wenige Stunden nach dem Attentat auf den slowakischen Regierungschef Fico die Runde.
Er sei nicht einverstanden mit der Politik der Regierung, sagt eine leise Stimme. "Warum wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk attackiert?", fragt sie weiter. Slowakische Medien berichten von einem geleakten Verhör der Polizei - angeblich mit einem 71-jährigen Amateurschriftsteller und Ex-Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes aus dem Westen des Landes.
Am frühen Morgen berichteten slowakische Medien, Fico habe nach der Operation wieder das Bewusstsein erlangt. Allerdings nannten weder der Fernsehsender TA3 noch die Zeitung "Dennik" Details zum Gesundheitszustand des Regierungschefs.
Regierung spricht von politisch motivierter Tat
"Es besteht kein Zweifel, dass das Attentat einen politischen Hintergrund hatte", sagt Verteidigungsminister Robert Kalinak, ein enger Fico-Vertrauter: "Wir haben einen wirklich tragischen Tag erlebt, an dem der Regierungschef der Slowakei ums Überleben kämpft."
Laut Innenminister Matus Sutaj Estok hat der Täter fünf Schüsse auf Fico abgefeuert, einer habe diesen in den Bauch getroffen. Die Polizei werde nun die Schutzmaßnahmen für Politiker, aber auch für Journalisten hochfahren: "Ich wende mich an die Öffentlichkeit, an alle Journalisten, an alle Politiker: Lasst uns aufhören, Hass zu verbreiten, der gegen das eine oder andere politische Lager gerichtet ist."
Alle Proteste und Veranstaltungen abgesagt
Seit Oktober ist der russlandfreundliche Fico wieder im Amt, schon zum vierten Mal, mit einem gemäßigter auftretenden linken Regierungspartner und einer kleinen rechtsnationalen Partei. Die liberale proeuropäische Opposition sieht seitdem den Rechtsstaat und die Pressefreiheit in Gefahr. Sie organisiert regelmäßig regierungskritische Proteste.
Am Tag des Attentats wollte sie gegen die geplante Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Medien demonstrieren. Doch nun haben die meisten Parteien alle Proteste und Veranstaltungen vor der Europawahl in der Slowakei bis auf weiteres abgesagt.
Sicherheitskräfte halten den mutmaßlichen Täter nach dem Angriff fest.
Nicht alle Folgen Ruf nach Versöhnung
Die scheidende Präsidentin, die Liberale Zuzana Caputova, die oft selbst von Fico verbal attackiert worden ist, verurteilt den Angriff - genau wie Politiker aller Oppositionsparteien. Sie riefen zur Versöhnung auf.
Ein Teil des Fico-Lagers verschärft dagegen die Rhetorik, etwa der Vize-Chef der Fico-Partei, Lubos Blaha. "Ich verurteile auf das Schärfste, was heute geschehen ist", sagte er.
Aber zugleich drücke ich meine tiefe Abscheu darüber aus, was die liberalen Medien in den letzten Jahren angestellt haben, auch die politische Opposition. Sie hat Hass gegenüber Fico geschürt. Sie hat ihm den Galgen errichtet.
Slowakische Gesellschaft extrem polarisiert
Das Attentat auf Fico ist das erste auf einen Politiker in der Geschichte der Slowakei. Der Politologe Miroslav Radek bezeichnet es als einen kollektiven Schock.
"Dieser Schock hat allerdings auch eine Vorgeschichte: Ich erinnere an 2018, an den Mord an dem Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten", sagt Radek. "Ich erinnere an den Hass einiger Politiker auf Journalisten. Ich erinnere an den Doppelmord vor einer queeren Bar in Bratislava im Jahr 2022."
Das seien alles Folgen der angespannten Stimmung: "Unsere Gesellschaft ist so polarisiert wie nie zuvor."